Im Banne einer Charakterstimme
Singend & swingend: Zum 100. Geburtstag von Hildegard Knef gibt die österreichische Musikerin Madeleine Joel am 27. Dezember ein Jubiläumskonzert im Porgy & Bess.

Hat sich des Knef'schen Liedguts kreativ angenommen: Madeleine Joel © Lukas-Beck
Eigentlich war ihre Stimme ganz anders, viel tiefer. Und trotzdem hat sich die österreichische Sängerin & Saxophonistin Madeleine Joel drübergetraut, Hildegard Knef ihre eigene Stimme zu leihen – und die unvergessene Mimin & Chansonette, die am 28. Dezember 100 Jahre alt geworden wäre, damit zumindest musikalisch wieder zum Leben zu erwecken.
„Mich fasziniert ihre Charakterstimme“, erzählt Madeleine Joel dem österreichischen Portal „music austria“: „Wenn sie singt, erkennt man sie nach wenigen Sekunden – und das ist etwas, das mir extrem zusagt. Ihre Stimme ist nicht irgendwie hingetrimmt oder produziert, sie klingt nicht wie viele andere. Heute klingen so viele Stimmen gleich und austauschbar – das ist bei ihrer ganz anders. Und da macht es auch nichts, dass sie eigentlich nicht immer perfekt intoniert hat. Sie war ja gar nicht unbedingt eine besonders gute Sängerin. Aber sie war unglaublich authentisch im Geschichtenerzählen – und das hat mich beeindruckt.“
Bereits 2021 hat Joel das Album „Alles oder Nichts – Eine Hommage an Hildegard Knef“ veröffentlicht und mit ihrer Band The Hildeguards vielfach erfolgreich live performed. Heuer hat sie die EP „Tapetenwechsel“ nachgelegt, eine Sammlung von sechs Stücken in ganz unterschiedlichen Interpretationen. Der Titelsong, „Ich brauch‘ Tapetenwechsel“, kommt etwa in elektronisch gefälligem Format daher, genauso wie „Heut’ gefall ich mir“, das noch deutlich flotter ausfällt und somit auch für Pop-Fans eine durchaus zeitgemäße Version des Knef’schen Liedguts bereithält.

© Madeleine Joel Records
Duette mit Viktor Gernot („Ich lieb’ dich ganz pauschal“) und Ulrike Beimpold („Für mich soll’s rote Rosen regnen“) geraten deutlich traditioneller (und etwas gar verschmust), während die Schlussnummer „Prosit Neujahr“ (eingespielt zum letzten Jahreswechsel 2024) mit einem swingenden Sextett jazzig dahinperlend dargereicht wird.
Am 27. Dezember, am Tag vor Knefs Hunderter, gibt’s ein Geburtstagskonzert im Wiener Jazzclub Porgy & Bess, bei dem u.a. die Vokalartisten Karin Bachner und Willi Landl ebenso mit dabei sein werden wie die deutsche Saxophonlegende Heinz von Hermann, der noch mit Knef und der Rias Bigband Berlin aufgetreten ist.
Nach diesem Jubiläumsabend, bei dem Joel auch einige neue Songs mit Band und weiteren Gästen vorstellt, soll aber vorerst einmal Schluss sein mit der vielschichtigen Knef-Aneignung, denn dann will die 1994 in Linz geborene, vielseitige Musikerin (die 2021 mit dem Ö1-Jazzpreis ausgezeichnet wurde) sich wieder mehr eigenen Projekten widmen, über die sie u.a. verrät, dass sie jedenfalls poppiger ausfallen werden – mit dem einen oder anderen Jazz- oder Fusion-Touch – und sowohl in ein neues Album als auch in Live-Konzert münden werden. Zeit für einen weiteren Tapetenwechsel.

Hat sich des Knef'schen Liedguts kreativ angenommen: Madeleine Joel © Lukas-Beck
"Sie war ja gar nicht unbedingt eine besonders gute Sängerin. Aber sie war unglaublich authentisch im Geschichtenerzählen – und das hat mich beeindruckt“, sagt Madeleine Joel über Hildegard Knef.



