„Total geile Live-Events“

Der Wiener Musiker Ivan Turkalj erinnert sich an Auftritte mit The Hidden Cameras, deren Mastermind Joel Gibb zu zwei Solo-Konzerten nach Österreich kommt.

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7. Oktober 2024

Als Hidden Cameras (solo) am 9.10. in Graz, am 11.10. in Wien: Joel Gibb (c) Alp-Klanten

Begonnen hat alles in Wien. Hier, auf einer seiner Tramper-Stationen quer durch Europa, hat Joel Gibb zu Beginn der Nullerjahre einen Song geschrieben. Damals hatte der Kanadier weder eine Band noch war er je zuvor live aufgetreten. Und doch hatte er eine genaue Vorstellung, wie „High upon the Church Grounds“ – aufgeführt von einer großen Band und einem Chor – klingen sollte: „…a seemingly never-ending song that starts as a humble folk song and ends as a bombastic krautrock anthem.“ Und genauso ist es 2002 dann auch gekommen: Der Song wurde von Joel Gibbs nachmaliger Band, den Hidden Cameras, in der Old Vic Church in Toronto live aufgeführt. Und nun, knappe 22 Jahre später, kann man das auch hören & sehen, u.a. auf einer (ab 11. Oktober) mit zahlreichem Bonus-Material versehenen Wiederveröffentlichung des zweiten HC-Albums, „Mississauga Goddam“, und in einem YouTube-Video.

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Der Song zeigt wie kaum ein anderer, was Gibb von Beginn an vorschwebte – und was in der Folge zum Markenzeichen, quasi zum USP der Hidden Cameras werden sollte: „Gay Church Folk Music“ – von Balladen bis zu bombastischen, footstomping Happenings, die nicht nur in Kirchen, sondern auch in Kunstmuseen, Dance Bars und Pornokinos aufgeführt wurden.

Großer Pool an Musikern

Die Band, stets mehr ein loses Kollektiv als eine feste Gruppe, umfasste in den ersten Jahren (von etwa 2003 bis ca. 2014) mitunter mehr als ein Dutzend Musiker, die teils klassisch ausgebildet waren. Darunter befanden sich – zumindest auf den Europa-Tourneen – auch zwei in Wien ansässige Musiker: der Multi-Instrumentalist Rudi Hebenstreit und der Cellist Ivan Turkalj, heute u.a. fixes Mitglied der Erlkings (die Schubert und andere Komponisten auf unorthodoxe Weise aufführen, u.a. mit Tuba & Vibraphon).
Turkalj, den mit Joel Gibb eine langjährige Freundschaft verbindet, gehört bis zum heutigen Tag zum Pool an Musikern für HC-Live-Auftritte, die mittlerweile freilich in wesentlich kleineren Formationen stattfinden. (Im Herbst 2023 spielte er mit Gibb und Owen Pallett im Wiener Porgy & Bess.)

Stehend & hüpfend: Cellist Ivan Turkalj (l.) bei einem Auftritt mit Joel Gibb 2010. (c) privat

Ivan war, als er das erste Mal im Kreis der Hidden Cameras spielte, 21 Jahre alt – und steckte noch mitten in seiner Cello-Ausbildung. Was er dort freilich sogleich lernte: „Egal, welche Musik du spielst: Gute Stimmung, Spaß und Party sind das Wichtigste. Es waren total geile Live-Events“. Die Gigs der HC fanden stets in höchst intensivem Austausch mit dem Publikum statt. Es wurde nicht nur im Saal getanzt, sondern auch auf der Bühne. „Ich spielte großteils stehend & hüpfend“, erinnert sich Ivan an die damaligen Hoch- & Frohzeiten (mit bis zu 35 Konzerten am Stück), die – auch in derart großen Kollektiven – mittlerweile allerdings vorbei sind. Einerseits werden – im Gegensatz zu früher – keine derartigen Gagen mehr bezahlt, die für alle finanziell lohnend wären, andererseits konzentriert sich Joel Gibb, der seine homebase nach Berlin verlegt hat, nun vermehrt auf Klein- oder Solo-Performances.

Zwei solche finden diese Woche auch in Österreich statt: am 9. Oktober im Grazer Orpheum (extra), am 11. Oktober, als Blue Bird special, im Wiener Haus der Musik. Gibb wird dabei einen Querschnitt des HC-Oeuvres mit Gitarre und perkussiven Elementen spielen – und auch Stücke eines noch für heuer geplanten, mehr electro-und-dance-basierten Albums. Am 10. Oktober werden im Wiener Filmcasino unter dem Titel „Queer Toronto“ zwei Filme über die queere Musikszene der kanadischen Metropole gezeigt, und danach gibt es ein Gespräch mit Joel Gibb.

Weitere Infos:
www.thehiddencameras.com
www.songwriting.at
www.theerlkings.com

Als Hidden Cameras (solo) am 9.10. in Graz, am 11.10. in Wien: Joel Gibb (c) Alp-Klanten

Die „Gay Church Folk Music“ der Hidden Cameras reicht von Balladen bis zu bombastischen Happenings, die nicht nur in Kirchen, sondern auch in Kunstmuseen und Pornokinos aufgeführt wurden.