Beredte Ruhe
Weil ihre Stammband zu laut wurde und etliche Venues nicht mehr bespielen konnte, hat Clara Luzia eine Formation mit dem Namen The Quiet Version gegründet und mit "Horelia" eine formidable LP veröffentlicht.

Clara Luzia & the Quiet Version: Horelia (Asinella Records)
Die Wahrnehmung durch die Scheuklappenperspektive des Klischees sieht Clara Luzia als „feinsinnige, sensible Liedermacherin“, was, kurz vereinfacht, ungefähr das Gegenteil eines offensiven musikalischen Gestus meint.
Und da eröffnet uns Clara Luzia Priemer-Humpel, wie die Künstlerin mit vollem Namen heißt, dass sie mit ihrer Stammband in den letzten Jahren zu laut geworden sei, um bestimmte Venues noch bespielen zu können. Daher habe sie nun ein Ensemble formiert, mit dem dies möglich ist.
„Es gab viele Anfragen aus Jazzclub-artigen, bestuhlten Venues und wir haben die ein paar Mal bespielt. Und das kam nicht so gut an“, präzisiert Clara Luzia im „extra-music“-Gespräch.
„Das hatte die Konsequenz, dass ich solche Anfragen halt nicht mehr angenommen hab. Aber das war auch blöd, weil das nicht wenige waren. Und da kam dann die Idee, eine Formation zu machen, mit der wir solche Venues bespielen können.“
Gewissermaßen programmatisch nennt sich diese Band Clara Luzia & The Quiet Version und ist besetzt mit Claras Lebenspartnerin Catharina Priemer-Humpel, die zum einen auch in ihrer regulären Band trommelt, zum anderen aber auch wesentliche Initiativkraft zum Entstehen der Quiet Version eingebracht hat; Claudia Kottal, die so wie Kollegin Mara Romei von den Low Life Rich Kids in der TV-Serie „Biester“ spielt, an den Keyboards und als zweite Stimme, Kaya Meller an der Trompete, Judith Ferstl am Kontrabass und natürlich der Protagonistin an Mikro und Gitarre.
Prägnante Trompete
Dieses Line-up hat soeben sein LP-Debüt vorgelegt. Es trägt den Titel „Horelia“ und beeindruckt durch einen Zugewinn an stilistischer Reichweite, Ideen, Klangfarben und Spannungslinien insbesondere durch die eigentlich dezente, dabei aber auch recht prägnante, nachgerade autoritative Trompete.
In den überwiegend getragen temperierten Stücken wechseln versponnene, bisweilen auch verspielte Stellen mit elegischen und vertrackten Passagen und der einen oder anderen heftigen, unterschwellig sinister anmutenden, das Adjektiv „quiet“ etwas relativierenden E-Gitarren-Attacke.

The Quiet Version: Kaya Meller, Judith Ferstl, Claudia Kottal (hinten), Cathi Priemer-Humpel, Clara Luzia und ganz rechts der Mitbewohner im Haushalt Priemer-Humpel (© Apollonia Theresa Bitzan)
Das auffälligste Unterscheidungsmerkmal zu regulären Clara-Luzia-Platten ist indes die Zweisprachigkeit der Texte. Die erste Hälfte ist wie gewohnt auf Englisch, die zweite auf Deutsch.
Wie Clara Luzia im Gespräch durchklingen lässt, wird das Projekt, wenn ihm denn genügend Akzeptanz für ein längeres Leben gewährt wird, mittelfristig wohl ganz auf Deutsch schwenken.
Dafür waren aber beim ersten Auftritt, dessen Dramaturgie dann für die Plattenaufnahmen übernommen wurde, noch nicht genug deutschsprachige Songs da. Also absolvierte man den Gig in zwei Hälften und übernahm diese Aufteilung für die Platte.
Wer Clara Luzias Schaffen kennt, weiß dass „Horelia“ beileibe nicht das erste Mal ist, dass sie deutsch textet und singt (siehe dazu auch die Playlist). Sie tut das auch in der 2014 gegründeten Indie-„Supergroup“ Familie Lässig, in der sie mit Cathi Priemer, Günter „Gunkl“ Paal, Gerald Votava und Manuel Rubey Gesangseinsätze und Kompositionsbeiträge teilt, hat das bei ihrem Beitrag für die Kinderlied-Platte „Sing Sang Song“, aus dem heraus sie ein Kinderbuch („Mathildas Wortschatztruhe“, Achse Verlag) entwickelt hat, getan; sie hat das unter dem Moniker Wald, mit dem sie einen Teil der Corona-Pandemie mit hübschen, bemerkenswert arrangierten Pop-Songs überbrückt hat, getan. Und sie hat das gerade erst in diesem Jahr mit der von einer neuen Gitarre und der Philosophin Donna Hathaway inspirierten, mit dem Berliner Rapper Pucci aufgenommenen digitalen Single „Alle meine Namen“ getan.
Nichtsdestotrotz – und nicht übertrieben überraschend – empfindet es die Sängerin als ungleich schwieriger, auf Deutsch denn auf Englisch zu schreiben: „Ich habe, weil es meine Muttersprache ist, mehr Skrupel. Weniger dass ich Angst hätte, etwas zu Persönliches zu verraten, sondern mehr, dass etwas falsch verstanden werden könnte. Ich kenne halt von allem die Implikationen. Im Englischen kenne ich meistens nur eine Bedeutung und das macht es einfacher, damit umzugehen.
Ich sitz‘ auch viel viel länger an den Texten und schreibe auch nicht ganz so assoziativ wie im Englischen, sondern etwas kontrollierter. Was manchmal gut ist, aber auch hinderlich sein kann.“
Für „Horelia“ spielt indes die Unterschiedlichkeit der Sprachen (bzw. des Zugangs dazu) keine dramatische Rolle für das Gelingen der Übung. Sowohl auf Englisch wie auf Deutsch gibt es fesselnde Songs mit speziellen Momenten.
„All We Can Bend“, der LP-Opener, hat, akzentuiert durch eine melancholische Trompete, einiges von der eigentümlichen melodischen Eleganz gewisser Stück der verdienten Wiener Indie-Veteranen Novi Sad; durch „Dinosaur“ zieht der spröde Sog individualistischer Singer/Songwriterinnen wie Ada Lea.
Das erstgenannte Stück ist ein uraltes, ca. aus 2005 stammendes Liebeslied, das durch einen Song von Ani DiFranco, einer früheren Heldin Clara Luzias, inspiriert ist: „What doesn´t bend breaks“, sang diese in „Buildings And Bridges“.
„Dinosaur“ ist eine Botschaft an Donald Trump und seinesgleichen: „You´re A Dinosaur that doesn´t know it went extinct“.
Sogenannte „kritische Themen“ mit mehr oder weniger auch politischen Bezügen werden auf „Horelia“ noch öfter aufgegriffen. In „The Great Barrier Reef“ wird eindringlich vermittelt, dass die Zerstörung von Lebensräumen für Tiere und Pflanzen letztlich auf uns selbst zurückfällt.
„Wir als Lebewesen haben einen gemeinsamen Kern, was wir gerne vergessen. Wenn´s dem Fisch schlecht geht, geht´s uns auch schlecht, auch wenn wir davon nichts wissen wollen. Deswegen heißt es: Egal ob du Füße hast, die dich tragen, Blätter mit denen du atmest, Flossen mit denen du dich fortbewegst – wir sind alle eins. Und das sollten wir bedenken, wenn wir um uns schlagen und alles kaputt machen“, erläutert Clara Luzia.
„Utopie“ bringt zum Ausdruck, wie wichtig Hoffnung gerade dann ist, wenn es keine realistische Grundlage dafür zu gehen scheint.
Das schöne „Am Fluss“ findet im titelgebenden Gewässer – konkret gemeint ist die Thaya – eine anschauliche Metapher für eine belastete Beziehung: „Ein Teil von mir treibt nebenan im Fluss / siehst du denn nicht wie er kämpfen muss / gegen Strömungen, Treibgut und Nicht-mehr-können / werden wir uns je versöhnen“.
Der vermutlich auffälligste Song ist „Bla bla bla“, dessen Sarkasmus durch den betont naiven, in gepflegtem Dialekt übermittelten Vortrag über die Widrigkeiten des Lebens und das liebliche, gepfiffene Leitmotiv eine eigentümliche, glatt einem Bänkellied ähnelnde Anmutung annimmt.
„Das trifft es sogar recht gut“, bestätigt Clara Luzia. „Das habe ich ursprünglich für die Webserie ,Die Maßnahme‘* von Claudia Kottal geschrieben. Es war nie daran gedacht, dass das auf Platte kommt, aber es haben dann so viele danach gefragt, dass ich´s halt raufgetan hab. Es ist nicht mein Lieblingslied. Ich hab auch echt damit rumgekämpft. Ja, Bänkellied trifft´s, find ich. Für mich fallt das ein bisserl raus. Aber es tut dem Ganzen zur Auflockerung vielleicht eh ganz gut.“
Froh, nicht neu starten zu müssen
Clara Luzia ist heute, mit gerade einmal 47 Jahren, schon ein Urgestein in der österreichischen Pop-Szene. Mit Preisen – vom Amadeus über die Romy bis zum Preis der Stadt Wien für Musik (u.a.) überhäuft, hat sie über die österreichischen Grenzen hinaus Publikum erreicht und angesprochen; mit ihrer Single „Queen Of the Wolves“ vollbrachte sie mit Einsätzen in allen ORF-Radios (neben FM4 nicht nur Ö1 und Ö3, sondern auch der Regionalsender) in diesen Zeiten des strikt reglementierten Formatradios sogar ein veritables Wunder.
Sie hat eine eigene Plattenfirma (Asinella Records), sie ist gefragt als Soundtrack-Komponistin.

Clara Luzia (© Marylise Vigneau)
Sie war da, bevor das sprichwörtliche österreichische Pop-Wunder geschah, hat aber wesentlich geholfen, es in die Wege zu leiten, und hat, wie andere Musiker/innen, auf die das zutrifft, nicht spezifisch davon profitiert.
Trotzdem ist sie froh, die emsige Konkurrenz von heutzutage aus einer gewissen Distanz betrachten zu können:
„Ich würde nicht jetzt starten wollen. Das ist echt schwierig, weil so wahnsinnig viele da sind und das Niveau wirklich hoch ist und alles hochprofessionell ist. Das war ich ja nicht, nicht im Sinne eines Karriereplans. Clara Luzia könnte heute als Newcomer so nicht funktionieren. Da bin ich ganz froh, dass ich zu einer Zeit angefangen hab, die zwar zäh war, aber mir ermöglicht hat, von der Musik zu leben. Da beneide ich die heutigen Artists überhaupt nicht. Dieser Druck, dass du dir, weil so viele da sind, immer was ausdenken musst, das dich rausstechen lässt, weil über die Musik allein fast gar nichts mehr funktioniert. Das muss stressig sein.“
Live-Termine:
05.03. Posthof, Linz
06.03. Arge, Salzburg
07.03. Nexus, Saalfelden
12.03. tba
13.03. Kammgarn, Hard
14.03. Altes Kino, Landeck
21.03. Rekura, Unterretzbach
23.03. Stadtsaal, Wien
24.03. Stadtsaal, Wien
* Aus dieser ist die in der Playlist wiedergegebene, von der LP-Version leicht differente Fassung

Clara Luzia & the Quiet Version: Horelia (Asinella Records)
Die Quiet Version mag weniger laut sein, hat aber an anderer Stelle dazugewonnen: Stilistische Reichweite, Ideen, Spannung . . .



