Druckvolle Nostalgie
Rückkehr mit Sozialkritik: Suede untermauern mit ihrem neuen Album „Antidepressants“ ihre Sonderstellung innerhalb der Britpop-Szene.

Suede: Antidepressants (BMG Rights)
Die Antwort auf die Frage, wer in den 1990ern die gelungenste Verkörperung des Britpop-Sounds darstellte, wurde fast immer mit Blur, Oasis oder Pulp beantwortet. David Bowie blieb es vorbehalten, in diesem Zusammenhang Suede als seine bevorzugte Britpop-Band zu bezeichnen. Das Quintett aus Manchester mit seinem androgyn-dandyhaften Sänger Brett Anderson ergänzte den damals populären Britpop-Sound mit Glamour, Drama und dunkel-melancholischer Grundierung und beherrschte das Spiel mit Geschlechterstereotypen perfekt.
Nach ihren Alben „Suede“ (1993), „Dog Man Star“ (1994) und „Coming Up“ (1996) war die Band aus der Geschichte des Britpop nicht mehr wegzudenken. Es folgten krisenreiche Jahre – zahlreiche Bandumbesetzungen, kommerzieller Misserfolg und Brett Andersons Drogenabhängigkeit (er kämpfte viele Jahre erfolglos gegen seine Crack- und Heroinsucht an). Heute lebt er mit seiner Familie auf dem Land, fühlt sich körperlich fit und geistig wach, und meldet sich mit dem zehnten und zugleich besten und interessantesten Suede-Album seit den 1990er Jahren zurück.
„Antidepressants“ klingt einerseits nostalgisch, zugleich aber dringlich und druckvoll. Das Landleben und das Eltern-Dasein schärfen den Blick auf die Gegenwart; gesellschafts- und sozialpolitische Themen rücken in den Texten zunehmend in den Vordergrund. Anderson prangert den Klimawandel an, sorgt sich um die Demokratie, übt Kritik an den sozialen Medien und warnt vor der schleichenden Entmündigung der Menschen. „Broken Music For Broken People“ heißt einer der Songs programmatisch.
In Summe wirken die elf Songs aber trotz der umfassenden Zeitkritik wie musikalische Antidepressiva. Die stimmige Kombination aus druckvollem Gitarrensound mit Britpop-, Wave- und Glamrock-Anmutung, viel Hall, ein wenig Pathos und Brett Andersons Händchen für Dynamik und Melodien tragen zum Gelingen des Albums wesentlich bei. Anspieltipps: „Dancing With The Europeans“, „Trance State“, „Disintegrate“ und die David Bowie-Hommage „Somewhere Between An Atom And A Star”.

Suede: Antidepressants (BMG Rights)
In Summe wirken die elf Songs trotz der umfassenden Zeitkritik wie musikalische Antidepressiva