Hitzelähmung & Null Bock auf Social Media

Österreichische Halbjahres-Auslese/2. Love God Chaos richten sich „Im Kopf von Lisa Eckhart“ häuslich ein. Filiah brilliert als „Sad Girl With A Punchline“. Belle Fin zieht´s auf die Donauinsel.

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11. August 2025

Im Herbst öffnet die „Augendisko“, vorab tun´s zwei Singles: Love God Chaos (© Marija Kanizaj)

Am 26. September erscheint „Augendisko“ (DSP/Engine Records), das bereits fünfte Album der zu himmelschreiendem Unrecht noch nicht megalegendären Grazer Indie-Rock-Formation Love God Chaos. Was es, abgesehen von reflexhaften Assoziationen zu einer anderen großen Grazer Indie-Band, nämlich Rote Augen, mit dem eigentümlichen LP-Titel und seiner dramatischen Entstehungsgeschichte auf sich hat, wird dann Gegenstand einer eigenen Erörterung sein.

Gleichwohl bedürfen jetzt schon die beiden vorab veröffentlichten Tracks hymnischer Belobigung: „Garagenherz“ kombiniert lustvoll untertönte Hängerseligkeit mit melodischen Pop-Appeal und geschmackvoll mainstreamigen Synthie-Tupfern.

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Charakteristischer für den relativ trockenen, latent angefunkten, soulig untertönten, von Rap-Passagen interpunktierten Rock des Quartetts ist indes „Im Kopf von Lisa Eckhart“, das natürlich nicht (oder zumindest nicht unmittelbar) als Hommage zu verstehen ist, sondern eher als Projektion – oder auch einfach nur als brillante Suada von Assoziationsketten: „Hier liegen keine angefangenen Sätze rum / Selbst das Wortregal ist immer aufgeräumt“.

Die Platte der Saison allerdings oder besser gesagt die Platte zur Saison ist „Donauinsel“ (Medienmanufaktur) von Belle Fin: Nicht unbeeinflusst von der wein- und melancholieseligen Gelassenheit des Wienerlieds, zu dem Fabian Belfin-Wisniewski (Stimme, Gitarre), Robert Ullmann (Stimme, Trompete), Matthias Ihrybauer (Ziehharmonika) und Peter Engel (Kontrabass) eine natürliche Affinität haben, schleicht da in der Produktion von Thomas Pronai ein dezenter Blues zum „Grünen im Beton“ – eine Ode an die Langsamkeit als Kapitulation vor der Hitzelähmung…

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Auch Belle Fin bringen in der zweiten September-Hälfte ein neues Album heraus, es ist ihr zweieinhalbtes nach dem 2018 veröffentlichten Debüt und einer EP von 2021 und wird „Fest“ heißen.

Mit einem Pop-Song von astreinem Klassiker-Format brilliert indessen die aus NÖ stammende Indie-Pop-Künstlerin Filiah: von einem kräftigen Bass angetrieben, von sphärischen Keyboards behübscht, übermittelt sie mit mitreißender Stimme in einer dramatisch-eindringlichen Melodie als „Sad Girl With A Punchline“ (Ink Music) eine Art Selbstdefinition/künstlerisches Statement.

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Sein LP-Debüt feiert am 12.9. Johnny Indigo. Der Titel „American Daydream“ (Eigenlabel) belegt ebenso wie der Name seiner Begleitband The El Dorado Wildfire, wo die Prioritäten des in Wien lebenden Vorarlbergers mit dem bürgerlichen Namen Mattias Kollos liegen: in einem mythischen (Wild-West-)Amerika, auf staubigen Wegen, in mörderisch heißen Wüsten, in unwegsamen Gebirgen, auf Pferderennbahnen, an Grenzstationen.

In guten Momenten gelingt es dem Sänger und Gitarristen, diesen Spirit musikalisch zu beseelen wie in der Single „Mexicali“, die ziemlich nach frühen Calexico klingt; in weniger guten kommt wie in „Ridin Hi“, einer weiteren Vorab-Auskoppelung, eher belangloser Rock mit Südstaaten-Einschlag heraus.

Vitales Lebenszeichen: Farewell Dear Ghost (@ Christoph Liebentritt)

Von von sich hören lassen hat heuer wieder das geschätzte Wiener Indie-Rock-Trio Farewell Dear Ghost. „I Deserve You“ (Ink Music) setzt sich mit aufbrausendem Gedonner und schwirrender Gitarre zu melodiösem Gesang mit toxischer Männlichkeit auseinander. Gleichermaßen robust wie unterschwellig fragil, zügig wie leichtfüßig, lotet „Modern Smile“ die Diskrepanz zwischen Sein und Schein aus.

Die Glut ist entfacht

Das Wien-Linzer Frauen-Duo Glut ist schon letztes Jahr in einer dieser Rundschauen (drittletzter Absatz) kurz erwähnt worden. In diesem Jahr haben sie, die sich in ihrer Mischung aus Goth- und Heavy-Rock bisweilen anhören wie eine heftigere, wütendere Version von Culk (wozu auch passt, dass sie sowohl englisch wie auch deutsch singen), mit zwei Songs untermauert, dass sie´s, wie man so schön sagt, wissen wollen.
Rules“ (messybutnice) rechnet grantig mit Geringschätzungen und Erwartungshaltungen ab – die im Titel genannten „Rules“ sind wohl als „gut gemeinte“ Ratschläge zu „besserer Selbst-Präsentation“ oder allsowas zu verstehen.

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Das schwere, hypnotische „Hexen“ dagegen, in dem die sporadische Nähe zu Culk besonders hervortritt, taucht in ein grausiges Stück Mittelalter ein, nämlich das der Hexenverbrennungen. Stimmig, eindringlich, atmosphärisch dicht und hoffnungslos düster ist es die bislang stärkste Arbeit der zwei.

Frau Mabo grüßt die Fans, Spilif erzählt

Mit ihren eigenwilligen-vertrackten Stücken über Wichtigkeiten und Nichtigkeiten hat Anna Mabo eine treu ergebene Anhängerschaft auf sich eingeschworen. Und die versichern wiederum Frau Mabo und ihre Buben – ihre Band firmiert offiziell als Anna Mabo & die Buben – in ihrer quirligen Single „anders jetzt“ (Medienmanufaktur) ihrer Wertschätzung. Das gutgelaunt-charmante Stück ist Vorbote auf die Anfang Oktober erscheinende neue LP „mittelschwere ekstase“.

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Mit einem neuen Album („Elouise“) wird Ende Oktober auch die schon für mehrere deutsche und österreichische Musikpreise nominierte Innsbrucker Rapperin Spilif vorstellig. Der daraus ausgekoppelte Song „Blüte“ erzählt in einem lässig aus HipHop, Soul, Funk und ein bisschen Drum’n’Bass verwobenen Sound-Design vom Berufsalltag und seinen Uberflüssigkeiten: „Ich hab´keinen Bock auf TikTok-Shit und Insta-Fame“.

Im Herbst öffnet die „Augendisko“, vorab tun´s zwei Singles: Love God Chaos (© Marija Kanizaj)