Humorig, aber nicht humoristisch
Im Duo Flight Of The Conchords betrieb der neuseeländische Sänger und Songwriter Bret McKenzie erfolgreich musikalische Comedy. Mit dem Album „Freak Out City“ präsentiert er sich indes als fähiger Singer/Songwriter.

Bret McKenzie: Freak Out City (Sub Pop)
Ganz sicher ist Bret McKenzie weltberühmt in seiner Heimat Neuseeland. Ein bisschen ist er aber auch weltberühmt in aller Welt.
Immerhin ist er Grammy- und Oscar-Preisträger, in kultigen Radio- und Fernsehshows aufgetreten und Autor von Songs u.a. für Celine Dion, Lizzo, Tony Bennett, Mickey Rooney, Brittany Howard, die Simpsons, Spongebob oder die Muppets.
Den Oscar erhielt er übrigens 2012 in der Kategorie „Bester Titelsong“ für „Man Or Muppet“ aus dem ersten Kinofilm von Jim Hensons TV-Puppen; zum Grammy schaffte er es 2008 als eine Hälfte des Duos Flight Of The Conchords, dessen Debüt-EP „The Distant Future“ als „Bestes Comedy-Album“ ausgezeichnet wurde.
Flight Of The Conchords kann man sich grob vereinfacht vorstellen als deutlich kabarettistischere Variante Comedy-affiner Pop-Formationen wie They Might Be Giants*. Eigene Radio- und Fernsehshows haben ihre Breitenwirksamkeit forciert und nicht nur zu Hause in Neuseeland, sondern auch in den USA schafften die zwei hohe Charts-Notierungen. Dazu waren McKenzie und sein Partner Jemaine Clemant in den Nuller- und frühen Zehner-Jahren eine beliebte Festival-Attraktion.
Heute treten sie nur noch für vereinzelte Reunion-Gigs gemeinsam in Aktion.
Der Herr der Ringe gab die Tendenz vor
Man sieht an dieser Aufzählung bereits, wo die Schlagseite im Schaffen des 1976 in Wellington geborenen Bret McKenzie liegt: im humoristischen Fach und in kooperativen Verflechtungen mit den darstellenden Künsten, insbesondere Film und Fernsehen.
Was McKenzie bisher fehlte, war ein Profil (und damit logischerweise auch die Anerkennung) als „ernsthafter“** Musiker.

Er meint’s jetzt ernst, wie man so schön sagt: Bret McKenzie (© Izzie Austin)
Dabei ist seine künstlerische Sozialisation in zahlreichen, stilistisch recht unterschiedlichen Bands in Wellington verlaufen. Zugleich aber über die lokale Theaterszene auch dem Schauspiel verbunden, wurde er 2000 zufällig für eine kleine Rolle als Elbe im ersten Herr der Ringe-Film engagiert und generierte damit einen unvorhergesehenen Kult. Bald darauf hoben auch Flight Of The Conchords ab – und somit war die Tendenz festgelegt.
Nachdem allerdings drei Kinder auf die Welt gekommen waren, verschoben sich die Prioritäten und McKenzie fokussierte sich auf Projekte, die ihm mehr Zeit fürs Familienleben gewährten. 2022 brachte er sein erstes Solo-Album mit dem bezeichnenden Titel „Songs Without Jokes“ heraus; der wesentlich stringentere zweite Longplayer „Freak Out City“ ist dieser Tage erschienen.
Süd(staat)liches Feeling
In annähernd ausgewogenem Ausmaß haben neuseeländische Akteure und Session-Musiker aus L.A., deren bekanntester der langjährige Beck-Begleiter Joey Waronker (dr) sein dürfte, den Sänger, Gitarristen, Pianisten und Songschreiber McKenzie begleitet. Herausgekommen ist eine beschwingte, animierte Mischung aus Roots-Rock, Rhythm and Blues und Soul, wie er in bestimmten Teilen des Südens der USA (Memphis-, New Orleans-Area) gepflegt wird.
Gut gelaunte Rock’n’Roll- und Boogie-Piano-Läufe, kontrastiert von bluesigen bis lebhaften Gitarren, aufgedonnert mit fetten background vocals, bisweilen interpunktiert von peppigen Bläsern, konstituieren das Klangbild, das nur einmal (im existenzialistischen „Highs & Lows“) gegen elegische Streicher in den Hintergrund tritt.
Dass „Freak Out City“ in mancherlei Hinsicht an das zeitnah nach Big Star entstandene Solo-Werk des großen Alex Chilton erinnert – an dessen gleichermaßen rauen wie schwankend-fragilen Gesang McKenzie obendrein anklingt -, beschreibt Güte-Klasse wie Sympathie-Appeal sowieso hinlänglich.
Wie es seiner Ambition, als „richtiger“** Musiker wahrgenommen zu werden, entspricht, sind McKenzies Texte zwar oft humorig, nicht aber humoristisch angelegt. Die Absurdität des Daseins scheint ein prominentes Thema zu sein: Gleich im Opener „Bethnal Green Blues“ – Bethnal Green ist ein Stadtteil in London – wird von einem Mann erzählt, der durch einen Unfall mit einem Getränkeautomaten ums Leben gekommen ist und so nie eine Chance bekommen habe, die Verwirklichung seiner Träume zu verfolgen.
In „That’s the Way That the World Goes ‘Round“ beschreibt McKenzie die bizarren Konsequenzen eines Heizungsausfalls: Er sitzt in der Badewanne, das Wasser um ihn herum friert ein, seine Tränen werden zu Eiswürfeln – doch dann kommt die Sonne durchs Fenster, das Eis bricht: „I stood up and laughed / Thought it was a joke / That’s the way that the world goes ‘round.“
Das exzellente „Too Young“ wiederum verkehrt die Gesetze der Physik: „Don’t come knocking on my door / When you need a face to hit / Yeah it’s a long way to that floor / And I’m getting too young for all this shit“.
Im Schlusssong „I Shouldna Come Here Tonight“ finden wir den Protagonisten, der möglicherweise der Einladung zu einer Party gefolgt ist, eingesperrt in der Küche seiner Gastgeberin, die ihm ihre Freunde vorstellen will, aber deren Namen nicht weiß. Dazwischen und rundherum gibt’s etwas Goodwill bzw. Selbstermutigungen und Liebeserklärungen an Frau Hannah und/oder Fortpflanz. Alles was es braucht ist da, und sogar noch deutlich mehr.
*Ween soll/darf man im Zusammenhang mit Comedy um Gottes Willen nicht erwähnen!
**Der patscherte Kontext, der heimtückisch so tut, als ob musikalische Comedy niemals echte, seriöse, gute, …, … Musik sein könnte -, verlangt für solche Adjektive zwingend Gänsefüßchen

Bret McKenzie: Freak Out City (Sub Pop)
Dass „Freak Out City“ bisweilen an den großen Alex Chilton erinnert, stellt der Platte ein gutes Zeugnis aus.