Kurzzeitphänomen mit langem Nachhall

Dank dreier erstmals veröffentlichter John-Peel-Sessions ist es nun möglich, die legendären, punknahen Swell Maps als eine wilde, freche Band neu zu entdecken.

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1. Oktober 2025

Swell Maps: The John Peel Sessions (Mute/[PIAS])

Swell Maps gehörten zu jener Art Bands, die, kaum dass sie einen gewissen Grad von Bekanntheit erreicht hatten, auch schon wieder verschwanden. Dies war im Punk der 1970er Jahre nichts Ungewöhnliches, lösten sich doch auch die Sex Pistols nach nur drei Jahren auf. Dabei waren die Swell Maps eher punknah denn eine klassische Punkband. Ihr revolutionäres Potential wurde indes rasch erkannt. Beinahe jeder hat ihre schräge Rohheit geschätzt: R.E.M. gehörten ebenso zu ihren Verehrern wie Sonic Youth und Dinosaur Jr. oder später Pavement, Stereolab oder Nirvana. Und natürlich darf in dieser Liste der britische Radio-Moderator und DJ John Peel (1939 – 2004) nicht fehlen, der bereits von ihrer ersten selbstveröffentlichten Single „Read About Seymour“ (1977) begeistert war. Nun sind die drei Peel-Sessions der Swell Maps aus den Jahren 1978 bis 1980 zum ersten Mal überhaupt zugänglich.

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Dabei begann alles schon 1972 in Solihull, in den West Midlands, wo zwei Teenager, die in London geborenen Brüder Adrian Nicholas und Kevin Paul Godfrey, besser bekannt als Nikki Sudden und Epic Soundtracks, auf die Idee kamen, eine Band zu gründen. Sie taten sich mit Jowe Head (Stephen Bird), Biggles Books (Richard Scaldwell) und Phones Sportsman (David Barrington) sowie John „Golden“ Cockrill zusammen und formten das, was einmal die Swell Maps werden sollten. Beeinflusst vom Krautrock à la Can und Faust, aber auch von Bob Dylan oder T-Rex, lieferten sie ihre ganz eigenwillige Interpretation eines verspielten, avantgardistischen DIY-Ansatzes.

Erfinder einer Form von Noise

Als der Punk in London Fuß fasste, kam das für die Swell Maps wie gerufen, denn nun fand ihre Mischung aus Krautrock-Trance, verschrammelten Gitarren und eigenwilligem (Sprech-)Gesang eine Bühne. Vielleicht dürfen die Swell Maps sogar als Erfinder einer Form von Noise gelten, die sich bei Bands wie Sonic Youth, Dinosaur Jr. und auch Nirvana einnisten sollte.

Swell Maps Ende der 70er-Jahre (© Mute Records)

Kurz nach der ersten Peel-Session nahmen sie ihr Album „A Trip to Marineville“ auf, das 1979 erschien. Dieses versammelte aus heutiger Sicht Klassiker wie „Midget Submarines“ oder „Blam!!“. Gerade bei Letzterem fügen sich Punk, Garage Rock und psychedelischer Krautrock symbiotisch ineinander. Das Englische kennt im Umgangssprachlichen den Ausdruck „shambolic“, der Chaotisches, Unorganisiertes wie Verwirrtes bezeichnet. Genau das waren auch die herausragenden Qualitäten der Swell Maps, die bisher nicht kopiert wurden.

Nach diesem Album war 1980 Schluss…

1980 folgte dann das zweite Album, „Jane from Occupied Europe“. Danach war Schluss und die Band löste sich auf. Nikki Sudden startete seine Solokarriere und eine Zusammenarbeit mit Dave Kusworth. Epic Soundtracks begab sich ebenfalls auf Solopfade, war Mitte der 1980er Jahre Schlagzeuger bei Crime & The City Solution und im Anschluss bei These Immortal Souls, der Band von Rowland S. Howard, aktiv. 1997 verstarb Soundtracks, 2006 sein Bruder nach einem Konzert in New York City.

Von den anderen vier Mitgliedern war Jowe Head vielleicht der Umtriebigste. Er stieg bei den TV Personalities ein und versuchte 2021 die Swell Maps als Swell Maps C21 wiederzubeleben, deren Charme sich indes bloß wie ein vager Schatten zum Original verhält. Neben mancher Compilation wurde auch viel Archivmaterial über die Jahre veröffentlicht, das aber eher nur einen dokumentarischen, den Musikhistoriker erfreuenden Charakter hat. Dies gilt jedoch nicht von den Peel-Sessions, die es nun ermöglichen, eine wilde, freche Band erneut oder neu zu entdecken.

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Swell Maps: The John Peel Sessions (Mute/[PIAS])

Beeinflusst vom Krautrock à la Can und Faust, aber auch von Bob Dylan oder T-Rex, lieferten Swell Maps ihre ganz eigenwillige Interpretation eines verspielten, avantgardistischen DIY-Ansatzes.