Boten des Frühsommers

Dritter und letzter Teil der österreichischen Winter- und Frühlingskollektion: Vorboten anstehender neuer LPs treffen sich mit ein paar herausragenden Nachzüglern.

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4. Mai 2025

Ein Ost-Berliner und ein Ost-Niedersachse in Wien: Parc de Triomphe (© Voller Sound)

Oska ist ein Stammgast in diesen Rundschauen. Diesmal umso naheliegender, als in der zweiten Juni-Hälfte ihr neues, schon erwartungsfroh antizipiertes Album „Refined Believer“ erscheint.
With Love, Your Clementine“ (Nettwork Music Group), das klingt wie ein alter britischer Folk-Song, ist der aktuelle Vorbote.
Es ist vor allem der Text, der dieses Stück ausmacht und auf die Sogkraft der Musik zurückwirkt – eine bittere, traurige Geschichte von permanentem Verlust an und von allem, was das Leben lebenswert macht oder machen könnte.

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Schon vor ein paar Jahren hat Michael Gutenbrunner, der sich Alpha Romeo nennt, vielversprechend von sich hören lassen. Mit einer Begleitband, die sich je nach Saison Die Sommerreifen oder Die Winterreifen nannte, fabrizierte er Dialekt-Folk-Pop-Rock mit so genialen Titeln wie „Hunde am Meer“. Nunmehr offensichtlich unbereift, hat auch Alpha Romeo für das Frühjahr einen neuen Longplayer mit dem Titel „Pluto im Wassermann“ angekündigt, der indessen noch ein bisschen auf sich warten lässt.
Zur Überbrückung tun´s derweilen zwei Songs (Problembär Records): „Eifersucht Du Schirches Gfüh“, ein lakonischer, gerade einmal 1 Minute langer, schneller Punk-Kracher, und das schleichende, mit 2:37 Minuten Spielzeit vergleichsweise deutlich länger bemessene „Computer“ – ein elektronisch arrangierter, in elegantem melodischem Sentiment vorgetragener Weckruf an den Freund und Helfer: „Du rechnest zu langsam, lieber Computer“.

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Seit 2017 macht Maximilian Mrak als Orange Gone Musik. „Sufjan Stevens des Weinviertels“ ist er schon genannt worden. Das weckt zunächst einmal einfach nur Argwohn, ist aber, bezogen auf das ergreifend schöne Orange Gone-Album „Our Waltz Beneath The Light“ (2022), gar nicht so falsch: Diese mit viel akustischem Instrumentarium, Naturgeräuschen (buchstäblichen Field Recordings) und Mraks sonorer Stimme gefertigte Musik hat tatsächlich einiges von jenem himmlischen Schwelgen, das Stevens beste Arbeiten auszeichnet (und ebenso den für Stevens gleichfalls charakteristischen Anhauch von Überfülle).
Auch von Orange Gone steht ein neues Album ins Haus, „Their Body Lay Bent Above The Valley“ wird es heißen, und zwei Songs (Numavi Rec.) sind ihm vorausgegangen: „Touch Echo“ eine sanfte, aber zügige akustische Ballade, und das langsamere, trotzdem unterschwellig ungemütlichere, mit verschlepptem Beat und elektronischer Grundierung angelegte „Flood Logic“.

pauT covert T‘Pau

pauT ist ein Musiker, den Sie schon hunderte Male irgendwo und irgendwie gesehen haben: Der Mann mit der charakteristischen Kapitänsmütze spielt Bass und Klarinette in den Bands von Clara Luzia, Der Nino aus Wien und Raphael Sas (der seinerseits in Dutzenden Bands und loseren Konstellationen mitwirkt).
Außerdem macht pauT recht hübsche eigene Alben wie zuletzt (2020) die latent durchgedrehte Sixties-Hommage „welTraumkaTzen“ und war nicht zuletzt einer der Aktivposten beim Sigi-Maron-Gedenkabend im Wiener Rabenhof.

Den Bass und China in der Hand: pauT (© Problembär Rec.)

Seine aktuelle Single „China in der Hand“ (Problembär Records) ist indes nicht das Stärkste, wozu Paul Schreier, wie der Musiker bürgerlich heißt, fähig ist. Auch wenn der Song Teil eines thematisch China-lastigen digitalen Mini-Albums ist, ist der primäre Grund, ihn zu machen, ziemlich offensichtlich: Es handelt sich um eine (immerhin musikalisch stimmige und inhaltlich reizvoll kryptische) eingedeutschte Fassung des 1987er-Hits „China In Your Hand“. pauT covert T’Pau – keine weiteren Fragen. Nur noch die bescheidene Anmerkung, dass es im Pop noch nie besonders funktioniert hat, den Witz über das Werk zu stellen – da sollten die finalen Auswüchse der Neuen Deutschen Welle mit Hubert Kah, Peter Schilling, Markus und ihresgleichen nachdrückliche Warnung genug sein.

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Um gleich bei der NDW – und zwar deren guter Manifestation in Bands wie Abwärts, Der Plan oder The Wirtschaftswunder – zu bleiben: Die zwei Mitglieder von Parc de Triomphe sind zwar von der Herkunft her Deutsche, haben sich als Projekt aber in Wien formiert. Ihr Song „Angst“ (Voller Sound) ist eine klaustrophobische, von Bildern der Devastation durchsetzte, dafür erstaunlich unaufgeregt gesungene Ballade, in der sich ein minimalistisches Piano, Keyboards, und bedrohliche Gitarren um einen dumpf pochenden Bass gruppieren, um sich im Refrain („Ich hatte solche Angst“) an subtilen rhythmischen Verschiebungen zu brechen.

© Michael Wiesinger

Ebenfalls recht toll: „Golden Hour“ von Max The Sax (MTSR587). Hinter dem Pseudonym verbirgt sich der oberösterreichische Saxophonist Markus Ecklmayr, den eine langjährige Zusammenarbeit mit Parov Stellar verbindet.
„Golden Hour“, das durchaus passend auch „Happy Hour“ heißen dürfte und irgendwie Lust auf einen Cocktail weckt, kombiniert einen House-artigen Electro-Rhythmus mit einem prägnant-lässigem Sax-Leitmotiv, jazziger Gitarre und souligem Gesang.

Klassischer Pop darf durchaus auch sein und „Till The Morning Light“ von Amelie Tobin (Assim Records) ist genau das: ein Kampf der Gefühle, eingekleidet in eine anheimelnde, ergreifend intonierte Melodie, aufgedonnert durch ein wuchtiges Arrangement.

Lylit: Eine Klasse für sich. Definitiv!

Noch einmal eine Replik auf den Sampler „Death To The OOs“ (Ink Music): Einer der herausragenden Beiträge darauf ist Molokos „The Time Is Now“ in der Deutung der international viel Anerkennung erfahrenden und mehrfach ausgezeichneten Soul- und R&B-Sängerin, Pianistin und Komponistin Lylit: Mit agilem Piano und instinktsicher-trockener Interpretation entfernt sich die Künstlerin, die unter anderem sämtliche Songs und Texte für das dritte Album von Conchita Wurst geschrieben hat, einerseits nicht übertrieben weit vom hochkarätigen Original, behauptet aber andererseits souverän ihren Ausnahme-Standard. Man darf definitiv sagen: eine Klasse für sich.

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Gitarren-Rock mit Schlagseite Richtung Post-Punk und New Wave (zwischen frühen Fehlfarben und entfernt vielleicht The Pixies) liefern Eckstein mit „Einbruch“. Scheinbar recht gepflegt beginnend, erhitzt sich die Chose ziemlich unvermittelt zu akuter Explosionsgefahr. Und ein bisschen witzig ist das obendrein: „Der Einbrecher ist da / will mir unter die Haut“.
Eine Hälfte des Duos ist übrigens Jannik Rieß, hauptamtlich Mastermind des hier schon lobend erwähnten Projekts Potato Beach.