Byzantinischer Gospel mit viel PS

Der Pop-Geheimtipp Bulgarian Cartrader düst mit einem abwechslungsreichen neuen Album, „Greetings from Soulgaria“, auf nicht nur musikalisch flottem Weg nach Wien.

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10. Oktober 2025

Bulgarian Cartrader: Greetings from Soulgaria (Uncomfortable Chair Records)

Höre ich (von) Bulgarien, denke ich nicht zuerst an Musik, sondern an Literatur, etwa an Georgi Gospodinov und sein jüngst veröffentlichtes, zutiefst berührendes Buch über seinen verstorbenen Vater („Der Gärtner und der Tod“); oder an den schon lange in Wien lebenden Dimitré Dinev und dessen aktuellen, mit über tausend Seiten etwas einschüchternden Roman „Zeit der Mutigen“. Oder aber an Ivan Krastev, dessen Analysen gegenwärtiger politischer Lagen fast immer treffender & origineller sind als jene der allermeisten sonstigen Intellektuellen.

Nunmehr gesellt sich mit Daniel Stoyanov auch ein Musiker in diese Riege. Der in Sofia geborene, bereits länger in Berlin lebende und unter dem Namen Bulgarian Cartrader auftretende Singer/Songwriter hinterlässt mit seiner Mischung aus – halten wir uns ruhig an die nicht unzutreffende Label-PR – „byzantinischem Gospel, RnB und Indie-Pop“ sogleich Eindruck. Schon die Eingangsnummer seines brandneuen Albums, „Greetings from Soulgaria“, klingt ein wenig nach Prince.
Auf Lenny Kravitz und Bon Jovi wird in Songtexten explizit hingewiesen, was auch nicht ganz falsch ist. Nur Bruce Springsteen, auf dessen Debüt „Greetings from Asbury Park, N.J.“ (1973) der Plattentitel natürlich anspielt, fällt einem an keiner Stelle dieses abwechslungsreichen Albums als passende Vergleichsgröße ein & auf, so sehr der Begleittext (vulgo „Waschzettel“) auch darauf herumreitet („Wie ein Bruce Springsteen der Gegenwart durchzieht seine Musik erzählerische Lyrik….“).

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Das führt auf eine falsche Spur. Der bereits mit einigen Musikpreisen prämierte und beachtlichen Streamingzahlen (etwa 10 Mio. für den Song „Golden Rope“ von seinem ersten Album „Motor Songs“, 2022) ausgestattete Deutsch-Bulgare ist originell genug, dass er die allzu großen Namen & Referenzen nicht wirklich braucht. Immerhin haben mit Peter Fox, Seeed oder Casper schon andere namhafte Interpreten & Acts auf seine Songwriting-Qualitäten zurückgegriffen.

Meditativer Autohändler

Da ist Daniel Stoyanov alias Bulgarian Cartrader der fahrbare Untersatz anscheinend irgendwie abhanden gekommen … (c) Zlatimir Arakliev

Was für ein Händchen für flotten, eingängig-synkopierten Pop Stoyanov hat, zeigt etwa „Toothpicks“ vom neuen Album, welcher Song bereits zuvor als Single ausgekoppelt wurde. Er handelt von kleinen Ungereimtheiten eines durchschnittlich verunglückten Tages: Falschen Weg genommen, Schlüssel vergessen, keine Zahnstocher mehr zur Hand…
Dass der Bulgarian Cartrader es – bei anderer Themenlage – auch musikalisch anders kann, melancholischer, ja bisweilen sogar meditativ (der 12. und letzte Track heißt auch „Meditations“), zeigen stillere Momente dieser wahrlich wunderlichen, stilistisch immens vielfältigen Platte.

Der Name bezieht sich übrigens auf Klischees vom balkanischen, in diesem Fall speziell bulgarischen Autohändler (die wir hierorts, natürlich politisch völlig unkorrekt, gerne den Polen an- und umhängen…). Angeblich war Stoyanov kurzzeitig sogar selbst Autohändler (und seine Eltern arbeiteten an einer Tankstelle) – und mit Autos hat er es schon demonstrativ, wie auch sein Debütalbum(titel) zeigt – und das Video zu „Toothpicks“.

Wie viel PS er live auf die Bühne bringt, das kann man in Wien dieser Tage erfahren, denn dem Albumrelease (am 10.10.) folgt am Samstag, 11. Oktober, sogleich ein Konzerttermin im Flex (Café). Vielleicht besser mit der U-Bahn hinfahren…

Bulgarian Cartrader: Greetings from Soulgaria (Uncomfortable Chair Records)