Der gute alte weiße Mann

Der als Kabarettist und Autor bekannte Wiener Severin Groebner gibt sein Full-Length-Debüt in seinem Ur-Metier als Musiker. Und schließt mit seiner CD „Nicht mein Problem“ gleich eine Marktlücke.

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20. November 2024

Severin Groebner: Nicht Mein Problem (monkey.)

Es ist nicht sehr leicht, ein annähernd vollständiges Tätigkeitsprofil von Severin Groebner zu erstellen. Denn er macht verdammt viel. Wie er sagt: „Man kann mir vieles vorwerfen, aber faul bin ich nicht.“

Also: Man kennt den 1969 in Wien geborenen, daselbst auch aufgewachsenen, aber schon seit mehr als zwei Jahrzehnten in Deutschland mit nunmehr schon langjährigem Wohnsitz Frankfurt/Main lebenden Groebner als Kabarettisten. Als solcher ist er seit den 90er Jahren aktiv und mit Preisen behangen wie eine Kuh beim Almabtrieb: dem Grazer Kleinkunstvogel, dem Deutschen Kabarettpreis der Stadt Nürnberg und des Nürnberger Burgtheaters (Förderpreis), dem Österreichischen Kabarettpreis (Förderpreis), dem Deutschen Kleinkunstpreis (Förderpreis der Stadt Mainz), dem Sprungbrett (Förderpreis des Handelsblattes), dem Salzburger Stier, dem Österreichischen Kabarettpreis sowie dem Dieter-Hildebrandt-Preis.

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Man kennt ihn als Autor, Kommentator, Kolumnisten und Glossisten hochkarätiger Medien wie der gewaltsam zu Tode gebrachten „Wiener Zeitung“, ihres Nachfolgeprojekts „Das Feuilleton“, des „Café Sonntag“ auf Ö1, des Bayerischen Rundfunks, der „taz“.

Wofür man Severin Groebner am relativ wenigsten kennt, sind seine Umtriebe als Musiker. Dabei hat er in diesem Metier angefangen: „Wie jeder anständige junge Mann wollte ich Rockstar werden, damit die Damen auf einen aufmerksam werden, und um die zu viele Energie, die man als junger Mensch hat, hinauszuplärren.“

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Seine frühen Gehversuche als Sänger waren insofern erfolgreich, als sie nicht unbeachtet blieben, und dergestalt ein Fehlschlag, als sie ihn nicht in die Rockhäuser, sondern zusammen mit dem Pianisten Klaus Gröll schnurstracks auf die Kabarettbühnen (und zu erster offizieller Anerkennung in Form des Grazer Kleinkunstvogels 1995) führten.

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Ende der 90er Jahre nahm Groebner einen neuen musikalischen Anlauf mit dem Elektronik-Projekt Konsorten, mit dem er ein elektronisches Tagebuch in der Sargfabrik zu Musikbegleitung und Visuals vortrug. Mit den Konsorten (als Produzenten) veröffentlichte Groebner auch eine Single, „Fahrradfahren“ (2002).
„Das Medienecho war überschaubar“, erinnert sich der Künstler. „Ich fand’s super und einen potentiellen Sommerhit, aber mir wurde gesagt, ,das kannst du nicht machen, das ist eine Spannernummer!‘ Der Refrain ging so: ,Beim Fahrradfahren sind alle Frau’n wunderschön anzuschau’n.‘ In meinen Augen einfach die Wahrheit. Aber es war schwierig. Schwerer Alter-weißer-Mann-Verdacht.“

Keine Angst, es ist alles in Ordnung: Severin Groebner, doppelt gesehen (© severin-groebner.de)

Nun liegt von Severin Groebner, den um die Millenumswende politische Gründe (Schwarz-Blau I) und private (Trennung von Lebensgefährtin) aus der Heimat vertrieben haben, das erste echte musikalische Werk in abendfüllender Länge vor.

Zum Mitschreiben: Es ist kein Kabarett, sondern Pop

Nicht mein Problem“ heißt es, und ist bei monkey. herausgekommen. Mit Labelchef Walter Gröbchen war Groebner Anfang 2023 bei einem Solidaritätsabend mit der „Wiener Zeitung“ in der Kulisse, bei dem er zwei Songs performt hatte, ins Gespräch gekommen. Im Titelsong, den Groebner als eines von zwei Stücken bei dieser denkwürdigen, prominent mit Kulturschaffenden wie Josef Hader, Erika Pluhar, Florian Scheuba, Paul Pizzera, Peter Klien, Josef Hader oder Cornelius Obonya (als Stimme Robert Menasses) besetzten Veranstaltung mit seiner charakteristischen Cigar-Box-Gitarre performte, witterte Gröbchen – der natürlich um die Unabwägbarkeiten von Marktchancen weiß – „Hit-Potential“.

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Dazu muss sich gegen die bisweilen regelrecht punzierende Macht des Kleinkünstler-Images zuallererst einmal die Erkenntnis durchsetzen, dass „Nicht mein Problem“ nichts mit „musikalischem Kabarett“ oder allsowas zu tun hat. Daher hier zum Mitschreiben: „Nicht mein Problem“ ist eine astreine Pop/Rock-Platte.

„Überhaltung“ heißt Groebners aktuelles Kabarettprogramm – Haltung will seine CD vermitteln (© severin-groebner.de)

Der musikalische Rahmen spannt sich von relativ grobem Rock über folkloristische/ethnische Einflüsse bis zu fast schlagerartigem Pop, der in einzelnen Fällen („Rassismus diskutieren“) schon einmal an Klassiker wie Ambros‚ „Zwickt’s mi“ anklingen kann.

„Ich würde es am ehesten als Satire-Pop bezeichnen“, sagt Groebner, der im Gespräch große Affinität zu Geistesverwandten wie dem sophistischen US-Duo They Might Be Giants oder der mehr trashigen Ironie des frankophilen Berliner Duos Stereo Total bekundet.

Wegsein: Weggeschaut, abgehaut, tot

Geschrieben wurden die in Hochwienerisch bzw. im Dialekt gehaltenen 13 Songs über den Lauf der letzten Jahre. Eingespielt hat sie Groebner, der neben dem Gesang Ukulele und die gröberen Gitarrenpassagen beisteuert, zusammen mit dem Produzenten und Multiinstrumentalisten Elis C. Bihn.

Severin Groebner mit malerischem T-Shirt: „Die österreichische Kreuzfahrt-Linie: O-ida“ (© Jaschke)

Lieder übers Da- und Wegsein“ lautet der Untertitel der Platte. „Wegsein“ kann zum einen verstanden werden als Wegschauen. Auf lustig asoziale Weise äußert sich solche nachgerade selbstbetäubende Ignoranz im Opener und Titelsong „Nicht mein Problem“, wo eine Person mit offensichtlich abstoßender Optik und Olfaktorik bei ihren Mitmenschen Naserümpfen und Aufruhr im Magen hervorruft.
Gleichermaßen holzschnittartig wie auch definitiv bedrückend dagegen schildert sie der gemeinhin als „politischer“ Künstler bekannte Groebner im inhaltlich keiner näheren Erläuterung bedürfenden „Urlaub in einer Diktatur“ (hier in einer frühen Live-Fassung zu sehen): „Und hörst du jemand schrei´n / dann steh auf – und spring ins Pool hinein“.

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Wegsein benennt aber auch Abwesenheit durch Trennung oder – ultimativ – durch Tod. „Das Leben ist bedeutungslos“ ist ein Lied für Groebners verstorbene Mutter. „Ich habe mich als schlechter Sohn gefühlt, weil ich lange nichts über sie geschrieben habe. Dann habe ich überlegt, was sie mir dagelassen hat, dann habe ich an meinen Sohn gedacht, dann die Gitarre genommen – und innerhalb von 10 Minuten das Lied geschrieben.“

Sein Sohn inspirierte Groebner auch zum mehrfach bemerkenswerten „Haus Insel Meer“. „Er war damals vier, es war mitten in der Pandemie, da sagte er zu mir, ,Papa, ich will ein Haus auf einer Insel im Meer‘. Ich sagte: ,Mein Schatz, das ist ein Lied!‘ Sofort war ein Rhythmus da, ein Dreivierteltakt-Shanty – eher selten bei Shantys, glaube ich. Mit dem Satz hatte ich die Melodie im Kopf, dann suchte ich die richtigen unter meinen fünf Akkorden – und entwickelte aus dem Refrain heraus die Strophen.“

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Der Text ist auch insofern signifikant, als er neben allem – auf dieser Platte wahrlich nicht knausrig bemessenem – Zynismus und Sarkasmus auch gute, gewissermaßen philanthropische Intentionen bekundet: „I will im Weißen Haus kan Orang-Utan / und kan Virus in mein Computan / I will mei Licht net unterm Schemel und kan Putin in dem Kreml / kane Toten an den Bordern und in Budapest kan Orban.“

„Ja, ich bin wohl ein langweiliger alter weißer Gutmensch“, sagt Groebner lachend.
Ob nicht die Kombination „alt, weiß“ (siehe Trump, Putin, Orban etc.) und „Gutmensch“ ein Widerspruch in sich ist?
Begeistert greift Groebner den Faden auf: „Genau!!!! Das ist die neue Marktlücke: Der gute alte weiße Mann!“