Spätlese zweier Insider-Helden
Die australischen Musiker-Legenden Ed Kuepper und Jim White begeistern auf „After The Flood“ mit einer Neuinterpretation von acht ausgewählten Songs aus Kueppers Gesamtwerk.

Ed Kuepper/ Jim White: After The Flood (12XU)
Es ist ein fast alltägliches Musiker-Schicksal, dass manche, egal wie gut sie auch sein mögen, nie jene Aufmerksamkeit erhalten, die sie verdient hätten. Wäre es anders, würde der Name Ed Kuepper schon längst in einer Reihe mit Neil Young, Nick Cave, Bruce Springsteen, Tom Petty oder Bob Dylan genannt werden.
Weltberühmt ist der mittlerweile 69 Jahre alte Musiker aber nur in Australien. Dort hat die Stadt Brisbane ihm zu Ehren sogar einen Park nach ihm benannt. Hierzulande blieb es bei einem soliden Insider-Ruhm – und Ed Kuepper bis heute ein musikalischer Held für eine begeisterte Minderheit. Dabei macht er seit über fünfzig Jahren Musik und bewegt sich gekonnt im zeitlosen Terrain von Punk, Rock, Folk und Blues.
Der 1955 in Bremen geborene Edmund Kuepper – die Familie Kuepper wanderte wenige Jahre später nach Australien aus – gründete 1973 die neben AC/DC wohl einflussreichste Band des fünften Kontinents: The Saints, ein Bandname der heute noch Kultstatus besitzt und Impulsgeber und Wegbereiter für viele Bands und Interpreten war und ist. Der Individualist Kuepper entzog sich bald jeglicher Berechenbarkeit, indem er zu experimentieren begann. Nach der Trennung der Saints gründete er The Laughing Clowns, die Post-Punk mit Jazz verknüpften. Daraufhin versuchte er es als „King-Of-Euro-Disco“ auch eine kurze Zeit mit billigen Synthesizern.
Sonore Stimme, düstere Melancholie
Erst mit seinem 1989 veröffentlichten ersten Soloalbum „Today Wonder“ kehrte Kuepper zu seinen Punk-, Rock-, Folk- und Blues-Wurzeln zurück und beeindruckte mit introvertierten, aufs Wesentliche reduzierten Folkrock-Songs. Ohne großen technologischen Ballast bot sein Solodebüt wunderbare, handwerklich perfekte Songs und lebensnahe Stories. Und über allem lag die Magie seiner sonoren Stimme, die die düstere Melancholie der Songs erst so richtig zum Klingen brachte. Stimme, Stimmungen, Stories blieben auch in den folgenden Jahren und Produktionen – „Honey Steel’s Gold“, „Black Ticket Day“ und „Serene Machine“ – die beeindruckend einfache Essenz des Kuepper’schen Schaffens. Album für Album bastelte er an seiner eigenen Legende.

Jim White (l.) und Ed Kuepper (c) Judi Kuepper
Mit Beginn des neuen Jahrtausends wurde es etwas ruhiger um den australischen Musiker und seine Veröffentlichungen wurden rarer. Jetzt hat er zusammen mit einer weiteren australischen Indie-Legende, dem Schlagzeuger Jim White (The Dirty Three), vor wenigen Wochen ein neues Album veröffentlicht: „After The Flood“, auf dem die zwei Musiker Rückschau halten – und dabei doch mächtiger, gefühlvoller und lebhafter klingen als so vieles, was heute von deutlich jüngeren Musikern veröffentlicht wird.
„Psycho-Folk“
Kuepper und White hatten schon vor Ausbruch der Corona-Pandemie begonnen, zusammenzuspielen und das Gesamtwerk Kueppers zu sichten. Die Pandemie verzögerte die Veröffentlichung zwar, verhinderte sie aber zum Glück nicht. Das lange Warten hat sich bezahlt gemacht. „After The Flood“ ist eine Kollektion von acht Kuepper-Songs, neu interpretiert, mit Kuepper an der Gitarre und White am Schlagzeug. Zum Zerreißen gespannte und angerissene Saiten und ein druckvoll-schepperndes Schlagzeug bilden den Grundsound, die von der zugleich elektrisierend und berührend und noch immer jugendlich klingenden Stimme Kueppers ergänzt wird.
Ein Kritiker nannte Kueppers Musik einmal treffend „Psycho-Folk“. Auf bedrohlich-psychedelisches Grollen folgt nicht selten meditative Melancholie, druckvoll-wuchtige Songs werden von melodiösen und gefühlvollen Balladen abgelöst. Das Album ist ein Meisterwerk, das vor Wucht, Dynamik, Schönheit und Klarheit strahlt. Anspieltipps: „Demolition“, „Swing For The Crime“, „The Crying Dance“, „The Ruins” und „The 16 Days”.

Ed Kuepper/ Jim White: After The Flood (12XU)
Das Album von Kuepper & White ist ein Meisterwerk, das vor Wucht, Dynamik, Schönheit und Klarheit strahlt.