Nostalgie in Samt & Seide
Zeitreise mit Schlaghosen und Schlaglöchern: Das Grazer Trio Sladek zelebriert auf „Things Gotta Change“ 60er-Jahre-Soul in analoger Pracht.

Sladek: Things Gotta Change (SLDK Records)
Nein, als Fortsetzung oder gar Wiederauferstehung des vor wenigen Wochen tragisch frühzeitig, mit 51 Jahren verstorbenen US-Musikers und Neo-Soul-Sängers D’Angelo wird man das Grazer Trio Sladek und sein neues Album, „Things Gotta Change“, nicht bezeichnen & abfeiern können. Obwohl so ganz falsch das wiederum auch nicht wäre (bei David Sladek, Kopf der Gruppe & Sänger mit Kopfstimme, lief D’Angelo, genauso wie Prince, früher zu Hause sehr oft, wie er in einem Interview verriet), nur der Zeitpfeil stimmt irgendwie nicht. Zumindest musikalisch. Denn der Soul, den Sladek mit seinen Hauptmitstreitern Alvis Reid (Bass) und Raphael Vorraber (Drums) in aller analogen Pracht zelebriert, stammt aus einer deutlich früheren Zeit, ist eindeutig mehr Retro als Neo.
Daher sind Marvin Gaye, Curtis Mayfield oder Donny Hathaway die passenderen Referenzgrößen. Wobei David Sladek, als Gitarrist an B.B. King und Carlos Santana geschult, zumindest zu Beginn (als das Trio 2019 mit dem Album „Daydreamin’“ debütierte) sich noch mehr in der Nähe von James Brown wähnte (wie er „Music Austria“ damals anvertraute).
All das gereicht dem Unternehmen keineswegs zum Nachteil, denn die Nachstellung der hauptsächlich in den 60er Jahren üblichen Spielart von Soul gelingt – wie schon auf den Vorgängern, vor allem der EP „Loveless“ (2024) – nunmehr ganz ausgezeichnet. Beim Hören wachsen einem die Hemdkrägen spitz nach vorne, weiten sich die Beinkleider zu Schlaghosen und man braust in offener, chromblitzender Limousine über die Schlaglochpisten von Memphis, Tennessee hinweg.
Anschmiegsamer Refrain beim Fremdfühlen
Auf keinem Track gelingt diese akustische Anverwandlung derart perfekt wie auf „Lotus Eater“ (Nr. 6), einem reinen Instrumentalstück, mit Gitarren-Wah-Wah, Vibraphon (von Gastmusiker Tobias Meissl) und Flötentrillern (von Yvonne Moriel).
„Beacon“ (Nr. 8) ist eine wunderschöne Ballade, ausgelegt in Samt & Seide, zu der Sladek seine Stimme selbst wie ein Instrument zart tirilieren lässt.

Nicht nur stimmlich hoch hinaus: David Sladek (stehend) mit Drummer Raphael Vorraber (links) und Bassisten Alvis Reid. (c) Rea Djurovic
Deutlich flotter geht’s auf „Stranger“ zu, der ersten Single des Albums: „I feel like a stranger when I’m in your arms“, jammert und – ein bissl arg zuweilen – jeiert Sladek voller Inbrunst, aber das forcierte Tempo und edle Klangstyling verwandeln das Fremdfühlen in einen mitreißenden, nachgerade jubilierenden, jedenfalls anschmiegsamen Refrain.
Die 1A-Arrangements und der wärmende Wohlklang gehen auf Produzenten Mathias Garmusch zurück, der mit Sladek seit Beginn zusammenarbeitet, Percussions beisteuert, und den Sound einerseits tief, weit und transparent macht (mit einer Reihe von Overdubs), andererseits auch fett, prall und (emotions-)triefend.
In dieser Balance soult, swingt & funkt „Things Gotta Change“ stilistisch relativ veränderungsresistent in aller Nostalgie dahin, bis Sladek in Song Nr. 10 zum Abschied „Bye Bye“ singen und winken. Und sogleich, nach Verklingen der letzten sirrenden Gitarren- & Orgeltöne, verkürzen sich die Hemdkrägen, verengen sich die Hosen – und man sitzt, ohne Fahrtwind im Haar, wieder festgeschraubt in der Gegenwart.
Muss keine Dauereinrichtung werden, kein ständiger Fluchtreflex, aber hin und wieder macht solch eine Zeitreise doch großen Spaß. Sicher auch live, wozu allerdings erst am 13. März 2026 im Wiener Porgy & Bess Gelegenheit sein wird.

Sladek: Things Gotta Change (SLDK Records)



