Selbstermächtigung via Formel 1
Sich als Frau gegen männliche Machtstrukturen durchzusetzen, ist das Thema von „Formula OneDa“, dem LP-Debüt der britischen Rapperin OneDa.
Es ist nicht wirklich so, dass die Formel 1 in irgendeiner Weise ein prominentes Thema für die Pop-Kultur wäre. George Harrison war ein großer F1-Fan. Einmal stellte er sich vor einem Grand Prix im ORF sogar Heinz Prüller als Interviewpartner zur Verfügung (um diesem gleich das Mikrophon aus der Hand zu nehmen und selbst das Wort zu ergreifen).
Harrison hat auch eine Single, Faster“ (1979), gemacht hat, in der er sich, wenn auch nicht übertrieben differenziert, mit dem Helden-Status von Rennfahrern auseinandersetzt. Die Picture Disc zieren Porträts zahlreicher F1-Weltmeister, auch der Österreicher Jochen Rindt und Niki Lauda (plus des prominentesten Nicht-Weltmeisters Stirling Moss).
Der schwedische Rennfahrer Tommy „Slim“ Borgudd hatte vor (und auch während und nach) seiner kurzen Formel-1-Karriere (1981-1982) getrommelt: Des Öfteren auch für die schwedischen Pop-Ikonen ABBA, weswegen der Name der Band auf seinem ATS-Boliden prangte. Bisweilen wird behauptet , ABBA hätten ihm die Tür in die F1 aufgestoßen – vor allem aber sollte der Name auf dem (inferioren) Gefährt Sponsoren anlocken.
Grosso modo aber waren die Adhäsionskräfte zwischen Formel 1 und Pop schwach.
Nun aber kommt aus einer Ecke, aus der man es garantiert nicht erwartet hätte, eine starke Referenz an die urkapitalistische, extrem hierarchisch strukturierte angebliche „Königsklasse des Motorsports“: Die nigerianischsstämmige Rapperin und Autorin OneDa aus Manchester nennt ihr Debütalbum mit bewusstem Bezug auf die F1 „Formula OneDa“.
Auslöser dafür war die Gründung der F1 Academy, einer ausschließlich der Förderung weiblicher Rennfahrer-Talente geschuldeten Rennserie im Jahr 2023. In diese setzt OneDa insbesondere wegen ihrer Symbolkraft besondere Hoffnungen – werden doch solchermaßen junge Frauen trainiert und befähigt, sich in einer vermeintlich exklusiven Männerdomäne zu behaupten. Und das wiederum matcht sich mit OneDas zentralem Thema: Weiblicher Selbstermächtigung.
„Pussy Power“ propagierte sie bereits im Vorjahr auf einer gleichnamigen EP und propagiert sie mehr als einmal auch auf ihrem ersten Longplayer, „Let me in“ (natürlich in die Kontrollzentren der Macht) fordert sie im Opener, „I GO TAKE THE WORLD BY STORM / I go BREEZE through it“ verkündet sie vollmundig (und orthographisch original wiedergegeben) in „The Formula“, „Girl got loads of Spirit / jump on the mic and spill it“, ermutigt sie in „Pull Up“; „Me I’ll have the last laugh“ verspricht sie in „Superwoman“.
OneDas literarische Ader pulsiert wiederum in behänden Assoziationsketten, wenn sie „lemon“ und „lemonade“ aneinanderreiht, mit „slim like shady“ auf Eminems Alter Ego Slim Shady anspielt oder in die Vollen langt: „I’m deeper than the Red Sea and as bloody as the name“.
Von zahlreichen Szene-Größen (u.a. Prince The Kid, Renee Stormz, Ace Clvrk) etc. unterstützt, rappt OneDa in einer Mischung aus fast komisch outriertem nordenglischen Slang und Pidgin English – einem Hybrid aus Englisch und Anleihen aus anderen, meist asiatischen und afrikanischen Sprachen. Um ihre atemlos hinausgebretterten Kommandos, Wortspiele, Anklagen, Scherze und manifestartigen Statements schmiegt, schlängelt und gruppiert sich erstaunlich stimmig eine breite Palette unterschiedlicher Stile: Das noch aus den 90er Jahren vertraute Drum and Bass-Geknatter, das gegenwärtig in und um Manchester wieder fröhliche Urständ´ feiert; Einflüsse von Trap (einer eher schleppenden Variante von HipHop), afrikanischer Musik und Soul. Diese LP hält einen auf Trab und gibt ständig Neues zu entdecken – bloß relaxen wird schwierig.