Wissenschaftliche Rückblicke

20 Jahre nach ihrem Debüt veröffentlichen We Are Scientists aus New York ein Album voll frischer Nostalgie.

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18. Juli 2025

We Are Scientists: Qualifying Miles (Grönland Rec/GoodToGo)

Beginnen wir mit einem Selbstzitat: „Das kalifornische Trio liefert auf dem Debüt einen beschleunigten Gitarrenpop mit witzig-verschnörkeltem Gesangsüberbau. Kein Wunder, dass dieser an britischen Trendgrößen wie Franz Ferdinand und Maximo Park orientierte Stil einem englischen DJ als Erstem auffiel und zum Engagement der in den USA links liegen gelassenen Band bei Virgin in London führte. Von dort aus scheinen sie nun einen globalen musikalischen Feld- und Siegeszug anzutreten.“

Das schrieb ich im Jahr 2005 (im „extra“ der „Wiener Zeitung“) anlässlich des Debütalbums der US-Band We Are Scientists, „With Love And Squalor“. 20 Jahre später, wenn dieser Tage deren neuntes Studioalbum, „Qualifying Miles“, herauskommt, ist von diesem einstigen Befund noch mancherlei gültig. Vom damaligen Trio sind zwar nur zwei Mitglieder übrig geblieben, Sänger/Gitarrist Keith Murray und Bassist Chris Cain, und statt bei Virgin erscheinen ihre Alben mittlerweile bei Grönland. Aber an der Grundausrichtung ihres geradlinigen Indie-Pop-Rocks, mit harmonischen Refrains und flotter Gangart, hat sich nicht viel verändert.

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Wirklich global ist ihr Siegeszug zwar auch nicht geworden, und wie schon zu Beginn der Karriere sind sie (ähnlich wie etwa Wilco oder Calexico) in Europa bekannter und erfolgreicher als in den Staaten (wo, nämlich in New York, beide Musiker nach wie vor leben), aber eine 20-jährige Karriere, die mit diesem Album nun (auch live, leider ohne Station in Österreich, dafür am 4.11. in München) feierlich begangen wird, ist ja auch schon ein bemerkenswertes (Über)Lebenszeichen.

Bittersüßer Schmerz der Vergangenheit

Dass zu diesem Anlass mehr nach hinten als nach vorne geschaut (und gespielt/geschrieben/gehört) wird, ist nicht sonderlich erstaunlich – und auch dem Duo selbst nicht verborgen geblieben: „I realized a lot of the lyrics kept circling back to nostalgia, loss, and the bittersweet ache of the past”, gibt Sänger Murray in einer Stellungnahme zum neuen Album unumwunden zu – und vermutet neben zwei Dezennien Bandbestand noch weitere Gründe: „Maybe it’s because of the friends we’ve recently lost, or the health issues that people we know and love have faced? Or maybe I was maybe just overdue for a little self reflection?”

Gut in Schuss, die beiden Scientists Keith Murray (l.) und Chris Cain. (c) WAS

All die Nostalgie und Vergangenheitsbewältigung zeitigt aber nach wie vor erfrischend-belebende Songs, von deren nunmehr vorliegendem Dutzend vor allem die Nummern 5-8, aus denen mit „Please, Don’t Say It“ und „What You Want Is Gone“ auch zwei Singles hervorgegangen sind, am meisten überzeugen.

Mehr noch als an die damals namhaft gemachten Referenzen, wie Franz Ferdinand oder Maximo Park (die ja auch beide noch existieren), erinnern mich Murrays hoher, mitunter fast lyrischer Gesang und die verspielten Gitarrenloops nun eher an Bands wie Nada Surf (auch aus den USA, und ebenfalls in Europa erfolgreicher) oder die Manic Street Preachers (aus Wales). Aber sie sind ja gerade keine Prediger oder Glaubensbrüder, sondern einem anderen Erkenntnisbund zugehörig. Daher mögen den beiden selbstbewussten Wissenschaftlern auch in diesen, ihrer behaupteten bzw. anverwandelten Profession nicht besonders freundlich gesinnten Zeiten noch ein paar musikalisch ertragreiche Jahre vergönnt sein. Zum 25er hören & lesen wir uns wieder!

We Are Scientists: Qualifying Miles (Grönland Rec/GoodToGo)