Ansingen gegen die Schweinerei des Todes

Das Joint Venture der US-Musiker Matt Jencik & Midwife entfaltet auf dem Album „Never Die“ mit schlichten Mitteln einen hypnotischen Sog.

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4. August 2025
Matt Jencik & Midwife

Matt Jencik & Midwife: Never Die (Relapse Records / Membran)

Madleine Johnston aka Midwife klingt fast immer so, als würden sich Nebelschichten über ihre Stimme legen, verzerrt und verhüllt in einem Dickicht aus Sound, der jede Klarheit in ein Zwielicht taucht. Letztes Jahr veröffentlichte sie ihr jüngstes Album, „No Depression in Heaven“, und als Artist in Residence gab sie heuer im April in unterschiedlichen Konstellation auf dem Roadburn Festival in Tilburg gleich drei Konzerte.

Matt Jencik (Implodes, Don Caballero) hingegen ist geübt, Soundwälle aufzuschichten, denen etwas Irreales, Verträumtes anhaftet. Johnston hatte er bereits 2015 kennengelernt – und die Idee zu dem, was nun das Album „Never Die“ werden sollte, kam ihm 2018. Irgendwann fragte er Johnston, ob sie mitmachen möchte. Sie willigte unter der Bedingung ein, dass sie nichts weiter tun müsse, als zu singen. Jencik kümmerte sich also um die Lyrics, die Melodien und lieferte die Grundstruktur der Songs, die er von Chicago aus zu Johnston nach Trinidad, Colorado, schickte. Doch Midwife beließ es dann doch nicht nur beim Gesang, sie ergänzte die Rohdaten mit Instrumentierungen von Gitarre und Keyboard.

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„Never Die“ klingt zeitweise wie eine 4AD-Veröffentlichung aus den 1980er Jahren. Der Titel des Albums ist Programm: Jeder Song erzählt eine Geschichte, in der es um das Leben – die Unvorstellbarkeit des Todes und den Protest gegen ihn geht. Wie mit (endgültigen) Abschieden umgehen? Wie das Trauma des (undenkbaren) Todes verarbeiten, die „Schweinerei“, wie der deutsche Kulturphilosoph Bazon Brock einmal meinte?

Schöne Momente mit Reue

Die Lyrics bleiben oft im Vagen, verlieren sich beizeiten in Rätseln und Andeutungen, oder sind, wie im titelgebenden Stück, auch mal deutlicher: „I hope you don’t die/ Any time soon/ I have so many things left that/ I need to ask you“. „Rickety Ride“ schildert aus der Ich-Perspektive eine gemeinsam verbrachte Zeit mit einer nicht näher beschriebenen Person, deren schöne Momente von Reue eingeholt werden, ohne dass dabei eindeutig wird, was mit der anderen Person geschehen ist. „Delete Key“ erzählt davon, wie die Negativität einer Person dem Ich die Luft zum Atmen raubt, ja sogar zur Selbstzerstörung führt, von der jenes Ich sich befreit, um zu überleben.

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Das Album entwickelt seinen besonderen DIY-Charme, wenn, wie etwa bei „The Last Night“, die Synthesizerpatina von den Tasten tropft, oder wenn die Musik scheinbar abhebt, um ins Weltall zu trudeln („September Goths“). Die Kompositionen von „Never Die“ beschränken sich trotz eines manchmal heavy Sounds auf Minimalistisches und entfalten durch ihre Schlichtheit einen wunderbar hypnotischen Sog.

Matt Jencik & Midwife

Matt Jencik & Midwife: Never Die (Relapse Records / Membran)