Das hohe Lied vom tiefen Schüttelreim

Das Wiener Trio Lepschi legt zu seinem 15-jährigen Jubiläum einen Prachtband mit allen Liedtexten – und noch einigem mehr – vor.

Von
7. Mai 2025
Trio Lepschi

Gut geschüttelt & gerüttelt: die Herren Slupetzky (oben), Zrost (rechts) und Kunz vom Trio Lepschi. (c) Julia Maetzl

Ums laute Lesen kommt man hier nicht herum. Ein – bisher übrigens unvertont gebliebener – Text wie „Gay hair“ (Nr. 113 in vorliegender Sammlung) eröffnet sich einem nur, wenn man ihn intoniert, sprich: sich selbst laut vorliest – und man mehr noch des Wienerischen als des Englischen mächtig ist:
gay hair/ doo dah gay hair/ tour show gay hair tattoo/ dog guest hairblades phee/ over dully

Was im Englischen tatsächlich so gar keinen Sinn ergibt, lässt einen Wiener mit feinem Ohr freilich schrill auflachen. Unbedingt ausprobieren!


144 Seiten, 35.- Euro, erhältlich im Buchhandel & bei Hoanzl ( www.hoanzl.at)

Aber auch die restlichen, insgesamt 114 Texte, die in dem Band „mea ois wia ois“ versammelt sind, den sich das Trio Lepschi zum heurigen 15-jährigen Jubiläum (das kürzlich mit einem fulminanten Abend mit Gästen im Wiener Konzerthaus gefeiert wurde) selbst beschert hat, verlangen nach aktivem Mitlesen, das heißt, man sollte die Lippen mitbewegen, erst dann entfaltet sich das volle akustische Aroma an geistreich Gedichtetem & Gewitztem, das fast durchgängig in Lautschrift verfasst ist. Da heißt es dann etwa: Es braut si wos zsaum/ iwan Hödnplotz heit, die Heisa voi Fahnderl, die Stroßn voi Leit…“ (Nr. 111, „Es braut si wos zsaum“).

Das Buch, mit zahlreichen Fotos pittoresk ausgestattet und mit zwei Codes versehen (zum Download aller sechs Trio-Lepschi-CDs und eines Exklusivvideos einer 17-teiligen „Gurkensymphonie“), ist in acht Kapitel unterteilt: zuerst alle sechs Alben mit allen Texten, dann „Die neuen Lieder“ und „Die Restposten“ (bisher Unvertontes, wie eingangs erwähntes „Gay hair“).

Wienerlied auf Portugiesisch

Eine Fundgrube der Sonderklasse. Denn stets war bei dem Trio, zu dem seit Beginn Stefan Slupetzky (Gesang, singende Säge), Martin Zrost (Gesang, Gitarre, Klarinette) und – nach 7 Jahren Tomas Slupetzky (Gesang, Gitarre) – seit nunmehr 2017 Michael Kunz (Gesang, Gitarre) gehören, der Text der Musik zumindest ebenbürtig. Es sind durch die Bank – und großteils von Stefan Slupetzky verfasst – kleine Sprachkunstwerke, die mit pointiertem Wortwitz und scharfer Formulierungsgabe das Rückgrat der Lieder bilden, die sich in einem breiten musikalischen Spektrum des Wienerischen bewegen – dieses sozusagen internationalisieren.
So gibt es hinreißende französische, spanische oder portugiesisch-brasilianische Wienerlieder, wie etwa „Bossa Lobao“ (Nr. 58), das mit folgenden Zeilen einsetzt: „Ma schau,/ a so a scheene Frau/ is glegn in da Lobau, die Donauau so lau,/ I kau/ nua schau, a oama Mau, wäu i mi nie wos trau…“ (Auch hier empfiehlt sich lautes Lesen!)

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Album Nummer drei, „Warz und Schweiß“ (2013), der Titel verrät es schon, beinhaltet eine besonders kreative Art des Reimens, nämlich das Schüttelreimen – und das durchgängig. 13 Nummern sind – man kann es in dem Buch nachzählen und vor allem NACHLESEN – ausnahmslos in Schüttelreimen verfasst. Und zwar so, dass daraus komplexe Geschichten entstehen, also Sinngebilde mit vielen – mitunter erstaunlich vielen – Strophen, die etwa vom Leben in einem Sanatorium erzählen oder vom nicht nur schweißtreibenden Aufenthalt in einer Sauna („Saunamassaker“). Da heißt es dann: „Am Anfang saßen sie mit blassen Nasen,/ die Füße suchten auf dem Boden Halt,/ Doch bald schon stöhnten sie mit nassen Blasen,/ der Schweiß, er tropfte von den Hoden bald . . .“

Mentale Schüttel-Manie

Dass das Schüttel-Reimen zu einer Manie, ja zu einer Art mentaler Krankheit werden kann, gibt Stefan Slupetzky unumwunden zu: „Man wird völlig kommunikationsunfähig, denn ständig hängt man diesen Reimen nach, testet alles auf Brauchbarkeit.“ Für das Lied „Fernsehkoch“, das in nasal französelndem Tonfall vorgetragen wird, studierte der ehemalige Kinderbuchzeichner und Autor zahlreicher Romane (u.a. der „Lemming“-Krimis) im Internet lange Zutatenlisten, um buchstäblich ein gerüttelt Maß an reimlich Verwertbarem zu finden. Herausgekommen sind dabei u.a. Kostbarkeiten wie „ein Hirschenkalb, zwei Kirschen halb,/ ein Kalberlschwanz, zwei Schwalberl ganz“. Das Menü kulminiert schließlich in dem kulinarischen Sinnspruch: „Merke: Ist das Fleischerl bockig,/ wird auch meist das Beischerl flockig!/ Darum gehört auch das Kalb gehackt,/ Gut faschiert ist halb gekackt!“

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„Die Manie des Schüttelreimens lässt den Reimenden fortwährend in die Sumpflöcher des Unkorrekten und Obszönen stürzen“, gab Stefan Slupetzky dem Autor damals zu Protokoll, als die „Schüttel-Platte“ herauskam. „Ohne eine Chance auf Linderung müssen wir jedes Wort so lange schnetzeln und pürieren, bis etwas Schlüpfriges, Brutales oder wenigstens Verschrobenes dabei herauskommt.“
„Geschnetzelt“ und „püriert“ wurde von den drei Herren bevorzugt auf längeren Autofahrten, meist zwischen Konzertauftritten. Dabei kam es zu regelrechten Schüttel-Ping-Pong-Schlachten, erzählt Slupetzky: „Wenn wir uns einem Ort genähert haben – und das Ortsschild auftauchte, kehrte im Wagen plötzlich Stille ein. Man konnte dann aber förmlich hören, wie es in jedem Kopf klick-klack machte und die Schüttel-Tauglichkeit des Ortsnamens geprüft wurde – bis der Erste mit etwas herausplatzte.“

Absurd-aberwitziges Potpourri

Ortsnamen sind freilich – alle Lepschi-Fans wissen es – ein besonderes Kapitel im Gesamtwerk des Trios. Bereits auf ihrer ersten CD, „Mit Links“ (2010 – heute würde man den Titel vielleicht digital missverstehen…), fand sich das Ortsnamenlied „Maid aus Wulkaprodersdorf“, in dem unzählige österreichische Ortsnamen zu einem absurd-aberwitzigen Potpourri des amourös Anspielungsreichen verknüpft werden („…In deinem OSLIP will ich nach der TSCHANIGRABEN, und meinen GIEßHÜBL an deinem MOOSBRUNN LAABEN …“). Das Lied zählte über viele Jahre zum Höhepunkt jedes Live-Auftritts (bei dem der Text zum Mitlesen ausgestellt & umgeblättert wurde, siehe Video).

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Auf dem Album „Oleanda“ (2018) steht wiederum der Identreim im Vordergrund, also die mehrfache, in erster Linie lautmalerische Bedeutung von Worten und Ausdrücken, wie der Titelsong (Nr. 63 im Buch) exemplarisch vorführt. Da erfährt man etwa von „olle andern Oleandern“ oder warum dem „Seifenkraut vor der Seifen graut“; und es wird u.a. ruchbar gemacht, warum die stinkenden Orchideen „a Oasch Idee“ sind. So wie der munter sprießende Refrain überhaupt darauf hinausläuft, sich von Zimmerpflanzen nicht länger pflanzen zu lassen: „. . . Azaleen und Immergrün – schleicht’s euch, geht’s in Gartn spün!“

Dem Deftigen nicht abhold: die Trio-Herren lehnen sich gerne weit aus dem Fenster… (c) Julia Maetzl

Nicht nur geschüttelt, sondern regelrecht anagrammatisch durchgerüttelt wird das Wort „Pikatilo“ im gleichnamigen, musikalisch in rasendem Galopp absolvierten Lied (Nr. 66). In scheinbar fast allen Möglichkeiten in 1:45 Gesangsminuten durchdekliniert (letztlich ist es dann doch nur die Hälfte aller Kombinationsmöglichkeiten, rechnet Stefan Slupetzky vor), endet diese kuriose Sprachhetzjagd fast fanfarisch auf einem unerwarteten Terminus, mit dem eine nicht sonderlich beliebte Berufsgruppe bezeichnet wird – „… Politika“!

Was Slupetzky von der reinen Natur hält, lässt er im bissigen „Natua“ (Nr. 64) wiederum mit Hang zum Identreim wissen („Natua Natua – na tua ma des bittschee ned au . . . na, tua mi ned häggaln in aana Tua…“), wofür alleine ihm schon der H.C.-Artmann-Award verliehen gehörte, denn so wunderbar vielfältig und abgefeimt listig dichtet hierzulande kein anderer seit dem großen unvergessenen „Botanisiertrommler“.

Weitere Infos, Termine & Bestellmöglichkeiten für das Buch:
www.triolepschi.at

Trio Lepschi

Gut geschüttelt & gerüttelt: die Herren Slupetzky (oben), Zrost (rechts) und Kunz vom Trio Lepschi. (c) Julia Maetzl

Es sind durch die Bank – und großteils von Stefan Slupetzky verfasst – kleine Sprachkunstwerke, die mit pointiertem Wortwitz und scharfer Formulierungsgabe das Rückgrat der Lieder des Trio Lepschi bilden