Songs für die Hosentasche

Das Wiener Label Siluh Records gratuliert sich mit der streng limitierten Vinyl-only-Compilation „Pocket Songs“, auf der hauseigene Künstler die Songs von anderen hauseigenen Künstlern covern, zum 20. Geburtstag.

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9. Juli 2025

Seit Wochen begeistert sich die Wiener Indie-Szene für ein Werk mit dem seltsamen Titel „Pocket Songs“. Es ist dies ein Geburtstagsgeschenk des Labels Siluh Records an sich selbst: 13 hauseigene Künstler interpretieren Songs anderer hauseigener Künstler.

Immerhin haben Siluh Records seit seiner Gründung 2005 über 100 Releases herausgebracht; ihr künstlerischer Kader verzeichnet Bands wie Culk plus die Solo-Arbeiten ihrer Sängerin Sophie Blenda, Laundromat Chicks, Dives, Vague, Mile Me Deaf, Gardens oder Euroteuro, und es ist kaum übertrieben, dem Label einen veritablen Beitrag zum meinetwegen schon etwas verklärten, aber eben auch real stattgefunden habenden Wiener Pop-Wunder zu konzedieren.

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Eines der Aushängeschilder bei Siluh: Culk, hier mit dem Original des von Potato Beach gecoverten Songs „Nacht“

Indessen finden sich im Backkatalog der Siluh Records durchaus auch einige namhafte internationale Gäste. So zum Beispiel gab es Releases mit Jad Fair von Half Japanese, den 90er-US-Indie-Rockern Swearing At Motorists, eine Techno-Remix Platte mit Alec Empire, Eric D. Clarke, Jason Forrest und Bernhard Fleischmann; eine Single mit Cassie Ramone von The Babies oder Alben vom Chokebore-Frontman Troy von Balthazar.

Der Titel „Pocket Songs“ basiert übrigens auf einer Aussage eines befreundeten Label-Betreibers (Elmar Gimpl von Bachelor Records, die heuer ebenfalls ihren 20er feiern), der in einem Gespräch Präferenzen für eine „Pocket Band“ bekundete: „Eine Band für die Hosentasche. Eine Band, die man liebt und von der man Freunden erzählen möchte, aber nicht zu vielen, denn die Band sollte klein und in der Hosentasche bleiben und nicht in den Playlists von jedem Tom, Dick und Harry vorkommen.“

Nur 300 Stück Auflage, aber zahlreiche Single-Auskoppelungen

Dieser Philosophie folgend, können die „Pocket Songs“ als Album nicht auf diversen Plattformen gestreamt werden und sind, schon Anfang Juni, als Vinyl-LP in 300 Stück Auflage erschienen.

Ebenfalls Zugpferde im Siluh-Stall: Laundromat Chicks (© Siluh Records)

Damit wäre diese Geschichte an sich von erlesener Sinnlosigkeit. Aber es gibt ein Schlupfloch aus der drastischen Limitation: Nach und nach sind aus dem sehr stimmig konzipierten und kuratierten Album Tracks ausgekoppelt worden, die sehr wohl bei den einschlägigen Plattformen (wie Bandcamp, Spotify, YouTube etc.) gestreamt werden können.

Zumindest die ersten vier Songs in der folgenden Aufzählung sind auch schon als Singles erschienen. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit kann davon ausgegangen werden, dass noch weitere folgen werden.

Große Abschiedsvorstellung: Dives covern Luise Pop

Zum Einstieg covern die formidablen Wiener Indie-Pop/Rock-Veteranen Vague in ihrer charakteristisch lakonischen Gelassenheit „Girl in A Band“ von der Berliner All-Female-Indie-„Supergroup“ Half Girl, die sich aus Mitgliedern der Bands Britta, Mutter, Luise Pop und Die Heiterkeit zusammensetzt.

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Einer dieser „Bausteine“ von Half Girl, nämlich die Formation Luise Pop um Vera Kropf, wird von Dives interpretiert. Diese – wie Half Girl ein All-Female-Trio – haben annonciert, sich mit Jahresende aufzulösen. Ihre Fassung von „Invisible“ ist ein würdiges Abschieds-Statement: Sehnsuchts-Pop mit großen Gefühlen und großen Melodien.

Dives ihrerseits geben Telebrains die Spielfläche, um „Tomorrow“ zu einer rauen Mischung aus Rock und Rockabilly zuzuspitzen.

Topsy Turvy sind eine Abspaltung des weiblichen Teils der Laundromat Chicks (Gitarristin Theresa Strohmer und Schlagzeugerin Lena Pöttinger). Ihre Fassung von „Can´t You See“, im Original von Salamirecorder & The Hi-Fi Phonos, hat etwas von der Anmutung alter Stax-Klassiker: impulsiv, beseelt, mit gefühlvoll austarierter Interaktion zwischen Orgel und Gitarre.

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Die Laundromat Chicks selbst, ein Aushängeschild von Siluh Records, dürfen natürlich auch nicht fehlen: „The Bullshit“ von Telebrains deuten sie als resignative Folk-Ballade.

Das Quartett Gardens, eines der jüngeren Zugpferde des Labels, covert eines der wenigen Stücke, die Euroteuro auf Englisch gemacht haben, nämlich das dynamische „Past Life“.
Euroteuro ihrerseits haben „Marcelino“ von Topsy Turvy eingedeutscht und zu einem weniger als zwei Minuten langen Nerd-Porträt in Lo-Fi komprimiert.

Erstmals auf Deutsch: Potato Beach und Mile Me Deaf

Ein Höhepunkt des Albums ist – sowohl als Interpret wie auch als Autor – Jannik Rieß mit seiner Band Potato Beach.  Mit „Nacht“ von Culk misst er sich an der nicht wirklich leichtesten Vorlage und meistert die Übung mit hehände-schnellem 80er-Jahre-Arrangement und eindringlichem Gesang bravourös.

Potato Beeach mit Jannik Rieß (M.) © Paulina Aumayr

Als Songschreiber inspiriert er Comic Figure, das Gemeinschaftsprojekt von Pauls Jets-Sänger Paul Buschnegg und Laundromat Chicks-Mastermind Tobias Hammermüller, zu einer ziemlich ziemlich radikalen Umdeutung: Dem schwungvollen Original von „Please Waste Your Time“ nehmen die beiden heimischen Indie-Granden den Wind aus den Segeln, die Strophen zwischen den nun eigenartig verschlafen klingenden Refrain-Teilen sind ins Deutsche transformiert.

An den Laundromat Chicks selbst arbeiten sich Ischia, ein Seitenarm von Endless Wellness, ab: „Incomprehensible World“ legen sie an als langsame Ballade, in der sich unvermittelt ein Wall of Sound aus Gitarrendonner und schwirrenden Keyboards auftürmt.
Recht toll in hypnotischem Industrial-Design – klanglich einem guten Gary Numan nicht unähnlich – gibt Wolfgang Möstl mit seinem Projekt Mile Me DeafSchöne Grüße“ von der Braunschweiger Band TCHI, einem der frühen „auswärtigen“ Releases der Siluh-Geschichte. Siluh-Ur-Geschichte gewissermaßen.

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