Kathartische Apokalypse
Die US-Band Mamaleek liefert mit ihrem neuen Album einen psychedelischen Soundtrack zu den Tragödien unserer Zeit.
Mamaleek ist wohl eine der extremsten experimentellen Bands aus San Francisco – und kaum eine Veröffentlichung dürfte aktueller sein als ihr neues Album „Vida Blue“. Der Name leitet sich wahrscheinlich von den Mameluken her (arab. „almamalik“), die sich aus ehemaligen Sklaven zusammensetzten und im Mittelalter über Ägypten sowie Syrien herrschten.
Ursprünglich wurde die Band von zwei bis heute anonym gebliebenen Brüdern gegründet und hatte zeitweise fünf, nunmehr vier Mitglieder. Der Titel „Vida Blue“ bezieht sich auf eine im Mai 2023 verstorbene US-amerikanische Baseballlegende aus der Bay Area, die u.a. für die Oaklands Athletics aktiv war. Im März selben Jahres verstarb im Alter von nur 38 Jahren auch Eric Livingston, seit 2019 Vollmitglied von Mamaleek und zuständig für Keyboard, Violine, Saxophon und Schlagzeug. Die Band ist seitdem nicht mehr nur in San Francisco ansässig, sondern mittlerweile auch in Beirut beheimatet.
Mamaleeks Stil wurde als „dekonstruktiver Metal“ beschrieben, verdichtet mit Jazz- und Blueselementen. Reichert man diese musikalischen Elemente um Themen wie Tod, Trauer, Verzweiflung, Wut, Angst und Panik an, so bekommt man eine ungefähre Vorstellung davon, welch kathartische Apokalypse „Vida Blue“ erzeugt. So führt etwa das gespenstisch-chorhafte „Momentary Laughter Concealed From My Eyes“ (Nr. 5) ins Sakrale, denn wo der Tod haust, ist die Religion nicht weit.
Dem Dissonanten grundsätzlich verpflichtet, sind viele Passagen des achten Albums gleichwohl ruhig ausgefallen; die auf manchen Vorgängeralben vorherrschende gurgelnde Stimmakrobatik wurde reduziert und – wie etwa beim getragenen „Legion of Bottom Deck Dealers“ (Nr. 8) – sind die Songs fein nuanciert instrumentiert. Denkt man an die Tragödien unserer Zeit, so bieten Mamaleek hierzu einen psychedelischen Soundtrack, eine Form von intensiver Trauerarbeit für die vergangenen Monate und Jahre.